Montag, 9. November 2020

Ist der Amateurfunk ein Email-Service?


 

Im aktuellen Bandplan des 80m Bandes ist der Bereich 3600 bis 3620 kHz allen Sendearten plus automatischen digitalen Stationen zugewiesen. 

Wie bei den meisten Funkdiensten ist es auch im Amateurfunk üblich, zuerst zu hören, ob die Frequenz frei ist, bevor man losplärrt. Doch automatische Stationen sind dazu nicht in der Lage. Entweder ist dies so gewollt oder die Betreiber besitzen nicht das notwendige Know-How, um ein solches Verfahren zu implementieren.  

Das führt insbesondere im 80m Band zu Störungen von SSB-Funkverkehr durch automatische Digitalstationen. Deshalb wird allgemein geraten, den Bereich 3600 bis 3620 generell zu meiden.

In der Schweiz werden folgende Frequenzen von digitalen Stationen im 80m Band beansprucht: 

HB9T      3.6015 MHz

HB9AW  3.604

HB9MM 3.6055 

HB9A     3.6075

HB9AK  3.6145

HB9T     3.6185

Moduliert wird dabei immer in USB.

Es ist also keine gute Idee, in der Nähe dieser Frequenzen SSB-Runden durchzuführen, wie kürzlich der RAOTC (Radio Amateur Oldtimer Club) auf 3615 kHz erfahren musste. Prompt zu Beginn der Runde musste wohl jemand dringend eine Email senden, seine Position durchgeben oder einen Wetterbericht senden. Als die Runde nach einer halben Stunde zu Ende war, war es wieder ruhig auf der Frequenz von HB9AK. Ein Schelm wer Böses denkt. 

Doch die Schweiz ist nicht allein. Auf der ganzen Welt gibt es unzählige automatische Stationen, die den Bereich 3600 bis 3620 kHz belegen. Und nicht nur den. Die digitalen Automaten sind auf allen Bändern zuhause.

Doch wobei handelt es sich bei diesen automatischen Stationen? Welchem Zweck dienen sie? Welche Art Funkverkehr wird über sie betrieben?

Die Antwort auf diese Frage ist für nicht Eingeweihte verblüffend. Diese Stationen gehören zu einem weltweiten Netzwerk, das es Funkamateuren erlaubt, ihre Email via ihre Kurzwellenstationen zu versenden und zu empfangen. 

Das ist erstaunlich! Gibt es doch in Europa kaum eine Ecke, in der Mobiltelefone nicht funktionieren. Wer muss denn da mangels Internet seine Mails per Kurzwelle versenden? Haben so viele arme Amateurfunker kein Internet?

Nein. Es sind die einsamen Segler auf den Weltmeeren, die es sich nicht leisten können oder wollen, einen kommerziellen Dienst in Anspruch zu nehmen, wie ihn zum Beispiel SailMail anbietet. Die Meere sind gross und es muss wohl unzählige Segler mit Amateurfunklizenz geben, damit all diese Stationen notwendig sind. Die automatischen Digitalstationen senden ja nicht nur im 80m Band, man findet sie auf allen Amateurfunkbändern. Sogar im 30m Band, wo die kommerziellen Dienste Vorrang haben. HB9MM, zum Beispiel, ist u.a. auch auf 10.145 MHz in Betrieb.

Das weltumspannende Netz heisst Winlink. Wer mehr erfahren möchte: Hier findet man all die Stationen und ihre Frequenzen, die zur Zeit im Betrieb sind.

Wie vieles andere in der Welt des Amateurfunks, ist Winlink nicht unumstritten und die Regulierungsbehörden, wie zum Beispiel der FCC in den USA müssen sich mit Einsprachen auseinandersetzen. Doch Winlink hat eine mächtige Lobby und ist eine beliebte Spielwiese. Auch in der Schweiz wäre das Wohlwollen des BAKOM nicht so einfach zu erlangen gewesen, hätten sich nicht gut vernetzte Persönlichkeiten dafür eingesetzt. Da brauchte es vermutlich schon etwas mehr an "Gewicht" als die USKA allein einbringen konnte. Nicht zuletzt darum, hat es in der kleinen Schweiz, weit ab vom Meer, eine derartige Konzentration von Amateur-Küstenfunkstationen. Während zum Beispiel in UK keine einzige verzeichnet ist! 

Bei aller Sympathie für die einsamen Fahrtensegler: Man kann sich tatsächlich fragen, ob das Ganze inzwischen nicht aus dem Ruder gelaufen ist und semi-professionellen Charakter angenommen hat. Zumal sich der Traffic, der über diese Stationen läuft, kaum kontrollieren lässt. Zwar kann sich jeder die entsprechende Software aus dem Internet herunterladen. Doch damit kann keiner den ganzen Email-Verkehr einfach mitlesen. Auch das BAKOM dürfte dazu nicht in der Lage sein. Im Gegensatz zu den USA ist bei uns, wie in den meisten anderen Ländern, Drittverkehr zwar nicht gestattet. Aber wer glaubt, dass da nie andere Dinge rausgehen als persönliche Mitteilungen von Funkamateur zu Funkamateur, der glaubt auch an den Storch.

Winlink ist in den Augen einiger Opponenten ein direkter Konkurrent von SailMail. 

Für den kommerziellen Hochseefunk gab es in HB9 eine einzige "Küstenfunkstation", doch für die Segler braucht es deren fünf! Erzählt mir nichts vom Pferd! 

Vermutlich ist es so wie bei den VHF/UHF Relais: Es war spannend, die Stationen aufzubauen und SysOp spielen ist ein tolles Hobby im Hobby. Und jetzt wo sie mal da sind, sind sie einfach da. 


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