Freitag, 7. Juni 2019

Vorsicht Mailbox



Sämu der Trucker und staatlich diplomierter Funkamateur mit HB3-Lizenz hat mich gestern auf eine interessante Geschichte aufmerksam gemacht.
Sämu ist nämlich in die Alpen gefahren um zu wandern und zu funken. Und zwar in SSB. Das sei die natürlichste Art zu funken, meint er.
"Hätte Gott gewollt, dass die Menschen mit Morsen kommunizieren, hätte er ihnen eine Taster anstelle der Stimmbänder eingebaut", meinte er.
Nachdem er seine Station aufgebaut habe, die Antenne unter Lebensgefahr zwischen zwei Felswänden gespannt habe, sei er auf ein interessantes Phänomen gestoßen.
"Haben die Felsen etwa eine Resonanz verursacht oder als Pharaonenkäfig gewirkt?", wunderte ich mich.
"Faradaykäfig heißt das", korrigierte  er mich.
"Nein, es hatte nichts mit mir zu tun", fuhr er fort. "Ich habe herausgefunden, dass es Funkamateure gibt, die haben kein Email und folge dessen auch keine Mailbox."
"Nicht alle Welt hat Email", entgegnete ich. "In der Antarktis oder mitten im Südpazifik gibt es keinen Internetanschluss."
"Nein, das meine ich nicht. Es gibt Funkamateure hier in Europa, die haben kein Internet und deshalb auch keine Mailbox. Die Schweiz scheint in dieser Hinsicht besonders unterversorgt zu sein."
"Aha, deshalb wird um 5G soviel Bohei gemacht. Aber wie bist du überhaupt auf dieses Problem gestoßen?"
"Das war so: ich wollte nämlich auf 80 m funken. Unten im Band zwischen 3600 und 3620 kHz, und da ist mir immer wieder eine automatische digitale Station dazwischengegrätscht."
"Du hättest halt vorher in den Bandplan gucken müssen. Außerdem solltest du wissen, dass automatische Stationen nicht hören, ob die Frequenz frei ist, bevor sie losdingeln.
Nicht sie haben dich gestört, sondern du hast sie gestört!"
"Mhmm...aber das sind Mailboxen. Stell dir mal vor! Dort rufen Funker ihre Nachrichten ab, die keinen Internet-Anschluss haben, und das mitten in der Schweiz. Besonders in der Schweiz. Hierzulande scheint es besonders viele von diesen armen OM zu geben, die noch keinen Internet-Anschluss haben."
"Es gibt in jedem Land Reiche und Arme, im Portemonnaie und im Geiste", munckte ich.
"Ich denke, dass das die anderen Benutzer des 80m Bandes wissen und darauf Rücksicht nehmen sollten", meinte Sämu."
"Dass Schweizer Stationen ihre Mails im 80m Band abrufen, glaube ich nicht", sagte ich. "Diese automatischen Stationen wurden doch eingerichtet für Funker aus Gebieten, die nicht mit Internet versorgt werden. Segler auf den Ozeanen, zum Beispiel. Es hat nicht jeder eine Luxusjacht mit Satellitenverbindung. Du übertreibst doch, Sämu. Die Schweiz spielt halt hier eine Pionierrolle. Das ist vor allem dem legendären Viktor Colombo HB9MF zu verdanken, der die wichtige automatische Station auf dem Landstuhl in der Nähe von Bern ins Leben gerufen hat."
"Es handelt sich also sozusagen um eine digitale Küstenfunkstation," brummte Sämu.
"Genau! Wenn du nicht in den Alpen rumfunken würdest, wo in jeder Hütte ein WiFi hockt, sondern auf dem Neuenburger- oder Bodensee segeln würdest, wärst du froh um diese Stationen. Auf dem See hast du nämlich kein Internet. Da bleibt dir gar nichts anderes übrig, als deine Mailbox über Winlink abzurufen."
"Aber gibt es nicht bereits dieses Hamnet - das Internet für staatlich diplomierte Amateurfunker?"
"Das ist eine Möglichkeit, setzt aber einige technische Kenntnisse voraus, sonst drehst du deine Antenne womöglich in die falsche Richtung. Nicht jeder Funkamateur hat Kenntnisse der HF-Technik. Darum machen heutzutage so viele in Digital."
"Wie steht es dann mit DMR. Das ist doch auch digital."
"Ja, Demenzradio, abgekürzt DMR, ist eine Tolle Sache. Nur wesentlich komplizierter als dein Smartphone."

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