Der Amateurfunk wird mit einer ganzen Palette von Bedrohungen konfrontiert, mit denen er sich auseinandersetzen muss: mangelnde Akzeptanz der Antennen, zunehmender Störnebel, Frequenzbedarf der kommerziellen Dienste, um nur einige zu nennen. Doch wirklich in seiner Existenz bedroht wird er durch den Nachwuchsmangel. Der Amateurfunk überaltert und droht auszusterben.
Die rasante Entwicklung der IT hat unsere Gesellschaft verändert und damit auch das Interesse der jungen Menschen. Die Faszination "Radio" ist verblasst. Amateurfunk ist angesichts der neuen IT Möglichkeiten nicht mehr attraktiv. Alte Männer, die in einem Zimmer auf Skalen starren und seltsame Funksprüche in den Aether senden, sind kein geeignetes Vorbild mehr, die heutige Jugend zu begeistern. Diese kann in solchem Tun keinen Sinn mehr finden. Heute nicht und angesichts der technischen Entwickelung morgen noch viel weniger.
Kein Wunder, versuchen die Amateurfunk-Verbände ihr Marketing neu auszurichten, um Nachwuchs zu finden.
Bereits vor Jahren wurden die Einstiegshürden schrittweise gesenkt: Zuerst wurde das Tempo der Morseprüfung verringert, später wurde diese ganz abgeschafft. Eine Prüfung, die weniger Aufwand und Anstrengung verlangte, sollte mehr Nachwuchs anlocken. Nach einigen Jahren war der damit erzielte Effekt jedoch verpufft und die Prüfungsanforderungen mussten weiter reduziert werden. Es wurden neue Lizenzklassen geschaffen, die leichter zu erlangen waren. Der Zugang zum Amateurfunk wurde jetzt mit blossem Auswendiglernen von Multiple Choice Antworten möglich.
Inzwischen hat fast jeder CB-Funker die Amateurprüfung geschafft und der Effekt auch dieser "Förderungs-Massnahme" ist verpufft.
Zugleich wurde das Hobby aber auch trivalisiert. Funker sind heutzutage - mit wenigen Ausnahmen - keine Elite mehr. Das technische Wissen ist zum Teil jämmerlich. Dafür ist der Dunning-Kruger-Effekt weit verbreitet.
Daraufhin gründeten die Amateurfunk-Verbände Arbeitsgruppen und organisierten Gehirnstürme (Brainstormings) um neue Alleinstellungsmerkmale (USP, Unique Selling Propositions) zu finden. Was konnte man jungen, technikaffinen Menschen anbieten, um sie zum Einstieg in unser geliebtes Hobby zu bewegen?
Mehr IT im Funk war solch eine Idee. Was wäre, wenn an der Prüfung Programmierkenntnisse anstelle Transistortechnik verlangt würde? Müsste sich der Funk nicht von der Analogtechnik ab- und vermehrt der Digitaltechnik zuwenden?
Dann hatte jemand die Idee, dass die Amateurfunker ein eigenes Internet brauchten. Das HAMNET war geboren. Die Argumente für dessen Notwendigkeit wurden an den Haaren herbei geschleift. Jedes dümmer als das andere. Denn notwendig war und ist ein solches Netz keineswegs. Dabei gibt es sehr wohl gute Gründe für ein solches Unternehmen: Nämlich der eigentliche Zweck des Amateurfunks: persönliche Weiterbildung, technische Studien und Kommunikation untereinander.
Genau aus diesen Gründen hielt dann auch die digitale Kommunikation Einzug ins Relais-Netz. Denn besser oder notwendig war die digitale Sprachkommunikation keineswegs. D-Star, zum Beispiel, klingt wie ein Roboter aus der Spritzkanne. Ein Verkaufsgag von Icom.
Aber die Nerds unter den Amateurfunkern liessen DMR-Relais wie Pilze aus dem Boden schiessen. Wer möchte nicht System-Administrator werden? Wenn schon nicht im Beruf, dann mindestens im Hobby.
Doch IT-Nerds sind eine rare Spezies. Und das nacheilende Fussvolk hatte zu wenig Know-How im Gepäck. Der Zug kam zum Stillstand, die Lokomotivführer verloren das Interesse und die Orientierung. Die Passagiere enterten andere Digital-Züge. Derweil funken die alten Männer in ihren Funkstuben immer noch analog. Das Interesse, sich weltweit in virtuellen Chaträumen auszutauschen, wurde überschätzt.
DMR, von mir scherzhaft Demenzradio genannt und zum Namen dieses Blogs erkoren, hat zudem einen entscheidenden Nachteil. Der Amateurfunk spielt hier keine Pionierrolle mehr, sondern kopiert eine kommerzielle Entwicklung.
Dann erfand ein brillanter Nobelpreisträger und Funkamateur eine digitale Betriebsart, die weltweiten Funkverkehr mit bescheidenen Antennen erlaubte: FT8. Heute funkt die Hälfte aller Amateure in FT-8. Zusammengedrängt auf wenige, 3kHz breite Kanäle im Kurzwellenbereich. Der grosse Rest des Spektrums wirkt ausserhalb Contest-Zeiten wie bei einem Mögel-Dellinger Effekt.
Dass diese Entwicklung kaum junge Menschen für unser Hobby begeistern kann, verwundert nicht. Denn eine echte Kommunikation findet damit nicht statt.
Heute trägt jeder ein Bildtelefon und Minikino mit einem leistungsfähigen Computer in seiner Tasche. Ohne Lizenzprüfung, notabene. Und jetzt zeigen wir den Kids, wie wir in Contesten einander 59 zubrüllen und unsere Computer mittels FT-8 sinnlose Verbindungen untereinander tätigen.
Kein Wunder ist das Marketing der Amateurfunkverbände in einer verzweifelten Verfassung.
Doch in den letzten Jahren hatte das Marketing der Amateurfunkverbände in seiner Hoffnungslosigkeit eine scheinbar glänzende Idee. Mit dieser sollte nicht nur Nachwuchs angeworben, sondern auch das Image des Amateurfunks in der Öffentlichkeit aufpoliert werden. Und damit, als hübscher Nebeneffekt, sollte auch die Akzeptanz unserer Antennen bei Politik und Nachbarschaft verbessert werden.
Der Notfunk-Koffer betrat die Bühne.
Die Amateurfunker sollen in Zukunft den Katastrophen-Organisationen ihre Unterstützung aufschwatzen. In Katastrophen wie zum Beispiel beim Hochwasser in Deutschland, Österreich oder der Schweiz.
BTW. Wo sind sie denn, die vielen Zeitungsartikel über den heldenhaften Einsatz der Amateure in den Hochwassergebieten?
Tritt der Fluss über die Ufer, greift der Funker zu seinem Notfunkkoffer und begibt sich in das Gebiet der Katastrophe. Oder mit seinem SUV zumindest auf den nächsten Hügel um von dort in das Kommunikations-Geschehen einzugreifen und die Welt zu retten. Ältere Semester fahren mit dem Rollator, an dem bereits der 2m Trnsceiver montiert ist.
Nur seine einzigartigen technischen Fähigkeiten und sein Notkoffer können noch helfen, wenn die Verbindungen der Profis überlastet und zusammengebrochen sind. Aber auch der Funker in seiner Stube kann mit seinem Wissen über "Yaesu", "Icom" und "UNUN" Rettung bringen. Der Gemeindepräsident, der die Sirene nicht eingeschaltet hat, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen, wird sich durch die Wassermassen kämpfen und den Funker seines Ortes aufsuchen. Der setzt dann einen Notruf nach Berlin, Bern oder Wien ab und verliest die Botschaften der Nachbarschaft an ihre Lieben. Auch die Rettung des Alpöhis in seiner unterspülten Hütte wird ihm auf wundersame Art gelingen.
Ein nobler Gedanke, der sicher viele junge Menschen begeistern wird. Wer möchte schon kein Held sein? Wer möchte nicht in der Zeitung lesen, wie tapfere Amateurfunker Menschen aus kritischen Situationen gerettet haben?
An Katastrophen ist ja in der heutigen Zeit kein Mangel und noch viele mehr werden auf uns zukommen. Wir sind auf dem besten Weg dazu. Da drängt es sich geradezu auf, als Funker zum Prepper zu werden. Den Notkoffer allzeit bereit, der Akku des Handys voll, mit Müsliriegel und Wasserflasche in der Regenjacke.
Nein. Danke, muss ich dazu sagen. Ich helfe gerne, wenn ich kann. Auch mit meiner Funkstation, sollte der unwahrscheinliche Fall mal eintreten. Aber ich werde mich davor hüten, den Profis auf den Füssen rumzustehen. Die sind für den Katastrophenfall gerüstet. Ich bin nur ein Amateur.
Und mein Hobby betreibe ich, weil es mir Spass macht und weil ich damit immer wieder Neues erforschen und entdecken kann und mich darüber mit meinen Kollegen und Freunden austauschen kann. Auch in der ältesten Kommunikationsart, die heute kaum einer mehr beherrscht: der Morsetelegrafie.
Mag sein, dass ich zu einer aussterbenden Spezies gehöre. Das macht nichts. Das Leben ist ja nur ein Provisorium, genauso wie meine Antenne.
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