Mittwoch, 26. Dezember 2018

FT-8 neue Version



WSJT-X neuste Version 2.0 ist endlich da und enthält auch ein neues FT-8. Der Clou: es ist nicht rückwärts kompatibel. Alt und Neu vertragen sich nicht. Wer jetzt also nicht umstellt, wird immer weniger Partner finden und wer schon umgestellt hat immer mehr.
Inzwischen gehört FT-8 zu den beliebtesten Betriebsarten und stellt das altertümliche Morsen in den Schatten. Mit einem Mausklick eine Verbindung über Tausende von Kilometern zu tätigen, ist einfacher, als erst mühsam das Telegrafieren zu erlernen. Ob FT-8 auf die Dauer aber ebenso viel Spaß macht, ist eine andere Frage.
Überhaupt scheint der Spassfaktor beim Funkhobby mehr mit der Anstrengung verbunden zu sein als mit anderen Faktoren wie etwa dem Portemonnaie. Eine Funkverbindung mit dem selbst gebauten Gerät und einem Stück Draht im nächsten Baum scheint vielen spannender als der mühelose Kontakt mit dem neusten Transceiver und dem Beam auf dem Gittermast.

Was ich tun werde, wenn ich endlich die Prüfung gemacht und eine Lizenz erhalten habe, weiß ich noch nicht. Die Vielfalt in diesem Hobby ist riesig und es erstaunt mich, wenn ich höre, dass es Funker gibt, die tagein tagaus nur auf einem Relaiskanal hocken. Das muss ja so ähnlich sein, wie den ganzen Tag in der Anstalt zu sitzen.
Aber vielleicht ist es ein Demenzproblem. Genauso wie dieses FT-8. Auch bei fortschreitendem Verlust der Gehirnflora wird es sicher noch möglich sein, mit der Maus auf das richtige Kästchen zu klicken. Notfalls kann man es auf dem Computerschirm mit Filzstift markieren.

Sonntag, 23. Dezember 2018

Das Funkwetter



Weihnachten steht vor der Tür und da sind von Armin keine gescheiten Antworten mehr zu erwarten. Er lebt dann mehr in seiner Parallelwelt, die ihn vor der Wirklichkeit schützt. Also habe ich, anlässlich meiner letzten Ausbildungsstunde, Bienchen mit drängenden Fragen nach der Funkausbreitung bombardiert. Denn ich grüble immer noch an den Gründen herum, wieso ich mit dem Präsident Jackson die Anstalt nicht erreichen kann. Ein paar Mal habe ich den Begriff Funkwetter im 11m Band aufgeschnappt. Es scheint, dass neben der mysteriösen Ionosphäre auch das Wetter für die Wellenausbreitung eine Rolle spielt. 

"Vielleicht kann mein Präsident die Anstalt nicht erreichen, weil das Wetter so schlecht ist?", sagte ich zu Bienchen.

"Du meinst das Funkwetter?", entgegnete sie. "Wetter und Funkwetter sind nämlich nicht das Gleiche."

"Wo liegt denn da der Unterschied? Haben Wolken, Regen oder Schnee denn keinen Einfluss auf die Ausbreitung? Und was ist mit dem Funkklima? Die Trockenheit diesen Sommer ist sicher nicht spurlos am Aether vorbeigegangen. Vielleicht ist der auch ausgetrocknet."

Bienchen verdrehte die Augen und formte ihre Stirn zu einer Furche.

"Ich erinnere mich, dass Marconi in meinem Traum ebenfalls vom Wetter gesprochen hat", schob ich nach. 

"Das kommt darauf an", entgegnete sie.

"Na toll. Auf was denn? Auf die Luftfeuchtigkeit oder die Windgeschwindigkeit?"

"...Nein...das heisst Ja...darauf kann es auch ankommen, aber die Sache ist etwas verzwickt."

Kein Wunder, dass ich Schwierigkeiten mit dem Funkwetter hatte, wenn sogar Bienchen dabei herum druckste. Wie sollte ich unter diesen Umständen die Prüfung bestehen, die mit Riesenschritten näher rückte?

"Wenn man vom Funkwetter spricht, meint man damit den Zustand der Ionosphäre, welche die Kurzwelle zur Erde zurück reflektiert. Deren Zustand hängt nur von der Sonnenaktivität ab und hat nichts mit dem Wetter zu tun."

"Aber da gibt es doch diese sporadische E-Schicht, die speziell im Mai und Juni zu unerwarteten Reflektionen führt und wo man im 11m-Band tolle Euopaverbindungen machen kann. Ich habe gelesen, dass da auch die Gewitter eine Rolle spielen sollen. Und Gewitter haben mit dem Wetter zu tun. Also spielt in diesem Fall doch das Wetter mit!"

"Das ist ein Einzelfall und man kann das nicht verallgemeinern."

"Aha. Ein Einzelfall wie dieser Märchenreporter Claas Relotius beim Spiegel. Ich glaube nicht an Einzelfälle."

"Du bringst wieder alles durcheinander. Journalismus hat nichts mit Funkausbreitung zu tun. Und beim Relotius handelt es sich um einen Fall von "wie bestellt so geliefert."

"Vielleicht wird das Funkwetter auch so geliefert wie es bestellt wird. Denk' nur an HAARP. Die heizen dort oben in Alaska extra die Ionosphäre auf um die Ausbreitung zu beeinflussen."

"Das sind Verschwörungstheorien."

"Auch der Spiegel hat immer wieder von Verschwörungstheorien geschrieben. Als es ihm zu bunt wurde hat er einfach die Kommentarfunktion abgestellt, damit die Leserkommentare die Reporter nicht in ihrem Narrativ störten."

"Bleiben wir doch bei der Funkausbreitung. Die ist weniger verworren als die Redaktion im ehemaligen Nachrichtenmagazin. Natürlich hat das Wetter auch technische Einflüsse auf den Funk. Ob der Boden unter der Antenne trocken oder durchnässt ist, spielt für die Antenne sicher eine Rolle..."

"...und wenn der Blitz in die Antenne einschlägt, ist auch das Wetter schuld", bemerkte ich. "Ist zwar ein Einzelfall aber immerhin schlagen pro Tag weltweit 40'000 Blitze irgendwo ein. Aber der Blitz muss nicht unbedingt in die Antenne zischen. Gewitter erzeugen einen hohen QRN Pegel."

"Du scheinst zumindest den Q-Code intus zu haben. Trotzdem: auf die Ausbreitung im Kurzwellenbereich hat das Wetter praktisch keinen Einfluss. Da ist die Ionosphäre am Zug und die richtet sich nach der Sonne. Ganz anders ist es auf höheren Frequenzen, also im VHF,UHF und besonders im Mikrowellenbereich. Dort spielt sogar die Luftfeuchtigkeit eine Rolle."

"Und was passiert, wenn die Luft feucht ist?"

"Auch da kommt es auf die Frequenz an. Wasserdampf spielt im Bereich von einigen GHz keine wesentliche Rolle. Doch bei höheren Frequenzen verursacht er eine erhebliche Zusatzdämpfung. Bei 22 GHz zum Beispiel hat der Wasserdampf ein Dämpfungs-Maximum. Bis zu 0.2 dB Zusatzdämpfung pro Kilometer kommen zur normalen Streckendämpfung hinzu."

"Au Backe. Und unser 24 GHz Amateurfunkband liegt gerade daneben."

"Eben. Darum sollte man trockene Luft auswählen, wenn man dort weite Verbindungen tätigen will. Und die findet man erstens im Winter und zweitens in den Bergen."

"Und weiter oben im Mikrowellenbereich? Wird es da wieder besser?"

"Nein, es wird immer schlimmer. Bei 60 GHz gibt es eine weitere Dämpfungsspitze. Dort ist der Sauerstoff dafür verantwortlich und schlägt mit sage und schreibe 16 dB pro Kilometer zu - zumindest auf Meereshöhe. Schon nach wenigen Kilometern bleibt daher vom Signal nicht mehr viel übrig. Für manche Anwendungen ist aber gerade das wünschenswert."

"So hoch will ich aber nicht funken. Für's erste wird mir das 2m und 70cm Band genügen. Spielt das Wetter dort auch verrückt?"

"Nur im positiven Sinn. Bei stabilen Wetterlagen können sich Inversionsschichten in der Atmosphäre bilden, die dein Signal über weite Strecken reflektieren. Also sowas wie die Ionosphäre, nur in wesentlich geringerer Höhe, und nicht durch Ionen sondern durch Luftschichten verursacht."

Frohe Weihnachten!

Mittwoch, 19. Dezember 2018

Der Fake Journalist



Liebe Leser

Ich bin's nochmal, Armin aus der Anstalt. Eigentlich wollte ich euch heute etwas über die Ausbreitung der Funkwellen erzählen, doch dann bin ich über eine Geschichte gestolpert, die so unwahrscheinlich und märchenhaft ist, dass ich euch unbedingt darüber berichten möchte, auch wenn sie nichts mit Aetherwellen zu tun hat. Es ist eine Geschichte, die aus der Anstalt stammen könnte.

Der Begriff Fake News ist ja in aller Munde, seit ein neuer Präsident ins weiße Haus eingezogen ist. Ein Begriff der seither in den Medien Karriere gemacht hat, oft auch im Zusammenhang mit dem Begriff Verschwörungstheorie.

Wer nicht mit Scheuklappen durch die Welt geht, der glaubt nicht alles, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen berichtet wird. Die Kadenz der Meldungen in den Medien ist einfach zu hoch, um immer den Fakten zu entsprechen. Ich denke, vieles wird abgeschrieben, erfunden oder zumindest so zurecht gebogen, dass es in die politische Richtung passt, die das entsprechende Medium propagiert.

Wer bisher noch daran gezweifelt hat, findet nun in der renommierten Zeitschrift Spiegel eine Geschichte, für die das Wort Märchenpresse perfekt trifft.

Da ist ein junger Top-Journalist, der jedes Jahr für seine Reportagen Preise abgeräumt hat, entlassen worden, weil viele seiner Storys frei erfunden waren. Ein Skandal, der die Gemeinde der Journalisten zutiefst erschüttert und die Leser staunend und zweifelnd zurücklässt. Es ist dem Spiegel hoch anzurechnen, dass er diesen Skandal publik macht und detailliert darüber berichtet. Doch man fragt sich unwillkürlich, ob das wirklich ein Einzelfall ist oder bloß die Spitze des Eisberges.

Der Mann hat sehr gut geschrieben und wäre ein toller Fantasy-Autor. Er trat seriös und überzeugend auf und war in seiner Zunft hoch angesehen (CNN Journalist of the Year, Peter Scholl-Latour Preis usw.) Er gehörte zu den besten der besten und schien eine blendende Karriere vor sich zu haben. Doch dann ging es ihm, wie vielen Kriminellen und Betrügern: Er trieb sein Spiel zuweit und sein Leben stürzte zusammen wie ein Kartenhaus.

Hier ist seine Geschichte nachzulesen.

Schade, dass der Mann nicht in der Gegend wohnt. Er würde bestens hier in die Anstalt passen und einen interessanten Gesprächspartner abgeben.

Mit den besten Grüssen
Euer Armin   

Sonntag, 16. Dezember 2018

Der virtuelle Werkzeugkasten des Funkers



Liebe Leser
ich bin es, euer Armin aus der Anstalt. Der Namenlose hat mich wieder einmal rangelassen. Aber er hat mir seine Bedingungen diktiert:
"Lass diesen Genderscheiss mit LeserX und so."
Auf meinen Einwand, dass korrektes Gendern in Deutschland zum guten Ton gehöre und dass solches sogar an den Universitäten gelernt werde, meinte er:
"Das ist nur eine kleine laute Minderheit, vorwiegend Studenten aus den Weichholzfächern und verblödete Ideologen."
Nun denn, ich will mich daran halten. Aber das ist nicht der Grund meines heutigen Postings.

Ich möchte euch davon berichten, welche Online-Instrumente ich benutze, wenn ich mich mit kleinen Funk-Basteleien beschäftige. Man lernt ja an der Prüfung allerhand Formeln und ehrlich gesagt, kann man das meiste davon wieder vergessen. Ausser das Ohmsche Gesetz. Aber wir hier in der Schweiz haben einen einfachen Trick, damit das in unserem Hirnkasten bleibt. Wir zeichnen in Gedanken einen spitzen Berg und denken an den Kanton Uri. Das U sitzt im Gipfel und R*I hocken unten im Tal.
Für alles andere gibt es praktische Online-Tools, die die Arbeit enorm beschleunigen.

Benötigt man zum Beispiel ein Dämpfungsglied um ein paar dB zu vernichten, hilt diese Seite weiter.
Und da man nie die krummen Widerstände in der Schublade hat, kann man die nächsten Werte aus der E12 oder 24er Reihe einsetzen und ausrechnen lassen, was diese Abweichung ausmacht.

Auch für die Berechnung von Resonanzfrequenzen oder die Suche nach L und C bei einem Schwingkreis muss man nicht unbedingt nach dem Formelbüchlein greifen. Dieses Tool hier hilft einem bestimmt weiter. Man kann damit für jeden Schwingkreis entweder F, L oder C berechnen lassen.

Aus dem gleichen Werkzeugkasten stammt dieser Online Rechner für die Reaktanz von Kapazitäten oder Induktivitäten. Wer zum Beispiel wissen will, ob ein Abblock-Kondensator für eine bestimmte Frequenz genügend Kapazität hat oder eine Drossel genügend Induktivität, findet hier die Antwort.

Wer sich mit den Dezibel schwer tut, findet hier Erleichterung. Die Tabelle im Jahreskalender des "Funkamateur" ist zwar gut gemeint, aber nicht mehr nötig. Denn dieser Online Rechner erledigt die Arbeit schneller und präziser.

Spannungsteiler kommen immer wieder vor, und mit der friedlichen Peace-Software lassen sie sich im Nu ausrechnen.

Wer nicht wie ich auf Toroid-Kerne schwört und den Ringkernrechner benutzt, sondern unbedingt noch eine Luftspule einsetzen möchte, dem hilt dieses Online-Tool.

Alle genannten Seiten haben nebst den vorgestellten Tools viele weitere praktische Anwendungen für den Bastler zu bieten. Stöbern lohnt sich.

Aber auch anspruchsvollere Berechnungen lassen sich mit Online-Tools lösen. Zum Beispiel die Impedanzanpassung mit einem einfachen Netzwerk. Wer sich mit Antennenanpassung - z.B. mit Antennentunern befasst, der kommt aber nicht um DG0SA herum. Ein fantastisches Werkzeug!

Wer aktive Filter einsetzt, sucht am besten im Werkzeugkasten von Analog Devices.

Doch wer mit HF zu tun hat, setzt eher passive Filter mit Induktivitäten und Kapazitäten ein. Auch für diesen Fall gibt es ein tolles Werkzeug, das in Sekundenschnelle die notwendigen Werte ermittelt. Wahlweise mit exakten oder Standard-Werten.
Eine Alternative ist das AADE Programm, das man direkt auf seinem Rechner installieren kann. Auch von hier.

Zum Schluss noch etwas ganz anderes. Eine Neuigkeit aus unserer Region. Die Berner Sektion der USKA HB9F hat neuerdings eine 6m Bake in Betrieb. Ihre 10W ERP sendet sie aus einem horizontal polarisierten Big Wheel auf 50.420 MHz.

Liebe Grüsse aus der Anstalt

Euer Armin




Freitag, 14. Dezember 2018

Ordnung ist die Abwesenheit von Chaos



"Der hat offensichtlich ein Problem mit seiner Gerhirnflora, sonst würde er nicht solch geistigen Dünnpfiff erzählen", wetterte Armin, als ich ihm von meinem Besuch beim Funkgerätehändler erzählte. Dabei hatte ich mich bloß nach einem geeigneten Funkgerät umsehen wollen. Denn ich rechnete fest damit, nächstens die HB3 Prüfung zu bestehen.

"Die Prüfungen finden nicht statt, wenn es genügend Teilnehmer hat, sondern sind fix festgelegt. Die nächste ist am 16. Januar. Ich hoffe, du hast dich bereits angemeldet. Man muss sich spätestens bis vier Wochen vor der Prüfung anmelden. Sonst musst du bis im März warten."

Armin war heute nicht gut drauf, fand ich. Normalerweise regte er sich nur auf, wenn ihn ein technisches Problem ärgerte, doch selten wegen Menschen. Aber vielleicht hatten sie ihm heute die falschen Pillen gegeben. Ob er eine rote bekommen hatte?

"Ja, ich bin angemeldet. Bienchen hat in den zweiten Gang geschaltet und bildet mich nun im Schnellverfahren aus. Wäre ja schade, wenn wir im Januar nicht bereits miteinander funken könnten. Zwar hat es bisher auf Elfmeter mit dem Präsident Jackson nicht geklappt, aber im Zehnmeter-Band werden wir es schaffen."

"Wenn es mit dem Präsident Jackson nicht klappt, wird es mit keinem anderen Präsidenten gehen", murrte er. "Der Wald und die Hügel zwischen uns fressen die Wellen auf."

"Sämu sagt, es liege am Skip und nicht am Wald. Die Ionosphäre sei im Moment schwach wegen dem Klimawandel."

Armin verdrehte die Augen.
"Wie hat der nur die Prüfung geschafft. Wahrscheinlich hat er abgeschrieben."

"Das habe ich in der Schule auch gemacht. Eine Zeit lang habe ich dem Lehrer vorgemacht, ich würde schielen. Aber ich habe eine bessere Idee: Du könntest für mich an die Prüfung gehen. Vielleicht gibt dir der Anstalts-Direktor frei."

"Ich kann hier nicht ohne Begleitung weg, das weißt du. Der Psychodoktor meint, ich würde draußen Dinge sehen, die gäbe es gar nicht und könnte dabei in Schwierigkeiten kommen. Und weißt du was? Ich glaube, er hat Recht. Bei meinem letzten begleiteten Ausgang haben die Menschen über mich gelacht und hinter meinem Rücken mit den Augen gezwinkert."

"Wieso? Hat man dir angesehen, dass du aus der Anstalt kommst? Oder musstest du eine Zwangsjacke tragen?"

"Ich weiß nicht. Vielleicht lag es an meiner Kleidung. Ich trage nämlich immer mein Pyjama darunter. So kann ich ruhig im Zug schlafen."

"Dann hattest du wahrscheinlich das Pyjama drüber und nicht drunter. Du bist ja auch sonst ein ziemlicher Chaot."

"Du irrst dich. Bei mir hat jedes Ding seinen Platz. Das ist ein Zeichen von höchster Ordnung. Nur für Außenstehende sieht es hier aus, als würde Chaos herrschen. Doch das ist nur eine Folge ihres Nichtwissens. Ordnung herrscht, wenn sich alles dort befindet, wo es hingehört. Das trifft übrigens auch auf Menschen zu. Es würde die Ordnung stören, wenn ich nicht in der Anstalt wäre. Tut mir leid, mein Freund, ich kann nicht an die Prüfung kommen. Auch nicht mit dir zusammen."

"Schade, zusammen hätte es Spaß gemacht. Du hättest dich auch anmelden können und wird hätten in der Prüfung einander abgeschrieben. Aber ich verstehe deine...besonderen Umstände. Und allmählich beginne ich auch deine Ordnung zu verstehen. Du sagst also: Ordnung sei die Abwesenheit von Chaos, weil Chaos die Abwesenheit von Ordnung sei und beide nie gleichzeitig existieren könnten."

"Genau. Daher ist Ordnung unsichtbar und vermeintliche Ordnung oft nichts anderes als Chaos und vermeintliches Chaos manchmal Ordnung. Die Ordnung ist ein extrem empfindliches Wesen und es gibt kaum ein Ding auf dieser Welt, das sich so leicht zerstören lässt wie Ordnung."

Bild: SOS: Save our Souls. Seele 18 konnte nicht gerettet werden, aber das Meer hat sie gnädigerweise an den Strand gespült.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Brand im Stockcorner JC4



Bei meinem letzten Besuch in der Anstalt entdeckte ich ein weiteres Geheimnis dieses "Etablissements": Die Anstalt ist auch eine Reparaturwerkstätte - zumindest Armins Zimmer.
Als ich eintrat, sass er über einen grauen Kasten gebeugt und schimpfte mit ihm.
Ich setzte mich in den Besuchersessel und versuchte aus seinen Worten schlau zu werden.

"Was haben die sich dabei gedacht", empörte er sich. "gewöhnliche Polyesterkondensatoren um Hochfrequenzstrom zu leiten. Bauen einen Tuner und haben keine Ahnung von Antennen. Bauen Polyesterkondensatoren ein, um Kosten zu sparen! Dabei fließt dort zumindest ein Teil des Antennenstroms. Die haben Schwein, dass es Mantelwellenströme gibt...tztz."

"Was ist das für ein Gerät? Ist das deins und was ist mit ihm?" Fragte ich, als er seine Schimpftirade unterbrach, um Atem zu holen.

Überrascht wandte er sich zu mir. Zwar hatte er auf mein Klopfen "Herein" gerufen, mich aber anscheinend sofort wieder vergessen.
Armin seufzte, nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und erklärte dann:

"Das ist ein automatischer Antennentuner, den ich von einem Funkfreund bekommen habe. Ich soll ihn reparieren."

"Dann ist er also kaputt", stellte ich unnötigerweise fest.

"Nein, er funktioniert noch. Aber er stinkt und ein paar Bauteile sind karbonisiert. Ebenfalls ein Teil der Leiterplatte. Vermutlich hat er gebrannt, bis der Sauerstoff im dicht geschlossenen Gehäuse aufgebraucht war."

"Gebrannt und teilweise zerstört und trotzdem noch funktionstüchtig. Das musst du mir erklären."

Armin drehte sich zu mir und zeigte mir die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Bauteile und das Loch in der Leiterplatte.

"Bei elektronischen Geräten ist es wie beim Menschen. Gewisse Dinge kann man entfernen ohne dass er aufhört zu funktionieren. Zum Beispiel den Blinddarm. Andere Dinge kann man zwar entfernen, aber man muss mit einer verminderten Funktion rechnen. Zum Beispiel die Gallenblase.
Genauso ein Fall habe ich hier. Der Tuner geht noch, doch der Erdanschluss für das Gegengewicht ist komplett im Eimer."

"Das ist schlimm", konstatierte ich. Denn in der Zwischenzeit wusste ich, dass der Strom auch ins Gegengewicht fliessen muss, damit die Antenne richtig funktionieren kann.
"Ein Wunder, dass er trotzdem einigermaßen funktioniert hat."

"Das ist kein Wunder. Anstelle des Erde hat der Tuner den Mantel des Koax als Gegengewicht benutzt. Die Entwickler dieses Tuners haben nämlich die Abschirmung des Kabelanschlusses direkt auf die Geräte-Erde gelegt, den eigentlichen Erdanschluss aber nicht. Dieser wurde mit zwei Kondensatoren mit dem Gerätechassis verbunden. Die Gedankengänge der Ingenieure kann man manchmal auch in einer Anstalt nicht nachvollziehen."

"Und diese Kondensatoren sind verbrannt. Aber wieso waren es zwei und nicht einer?"

"Weil die Ingenieure ein schlechtes Gewissen hatten. Denn sie haben billige Polyesterkondensatoren benutzt, die nicht für Hochfrequenz geeignet sind. Darum schalteten sie zwei parallel um mindestens den Strom aufzuteilen. Und weil ihr Gewissen noch nicht ganz beruhigt war und sie statische Aufladungen der Antenne fürchteten, haben sie dazu noch einen 10 KiloOhm Widerstand parallel geschaltet."

"Aha...und der wurde auch karbonisiert?"

"Ja, sozusagen als Kollateralschaden."

"Und wie reparierst du dieses Desaster?"

Armin nahm den offenen grauen Kasten vom Tisch und hielt ihn mir unter die Nase.
"Ist schon geschehen, ich habe anstelle der verbrannten Polyesterkondensatoren zwei gleichwertige 10nF Glimmerkondensatoren eingesetzt. Die halten den HF-Strom aus."

"Aber wieso hat der Tuner eine zeitlang funktioniert und ist dann plötzlich gestorben?"

"Das wissen die Götter. Ich bin kein Kriminologe. Aber ich bin froh, dass es diesmal nicht ein Relais oder einen Abstimmkondensator erwischt hat."

Bild: der reparierte Stockcorner Tuner.

Weitere Infos:
Datenblatt Polyesterkondensatoren
Stockcorner Automatik-Tuner JC4s
Berichte zu diesem Tuner, hier und hier und auch da 

Sonntag, 9. Dezember 2018

Monopoly



"Befreie deinen Geist, der nichts anderes tut, als im Kreis zu gehen und sich selber schon tausendmal begegnet ist."

"Was muss ich dazu tun?"

"Stehenbleiben, einfach nur stehenbleiben."

"Du hast gut reden, Armin. Du kennst meine Träume nicht und du hast noch nie für Marconi im Vallée de Trient auf Tannen klettern müssen."

Bei Putins eigenartigem Konzert im Korridor war ich in Ohnmacht gefallen und lag nun auf Armins Bett. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Die Welt schien sich verschoben zu haben.

"Irgend etwas stimmt nicht mehr. Bemerkst du das auch?", fragte ich ihn.

"Woran erkennst du das? Hier in der Anstalt ist doch alles normal wie immer." Er blickte mir forschend in die Augen.

Ich drehte den Kopf und blickte zum Fenster. Draussen riss ein Sturm die letzten dürren Blätter von den Bäumen. Regen trommelte gegen die Scheiben und ich vermeinte darin den Rhythmus von Morsezeichen zu vernehmen. Auf dem Pult vor dem Fenster lag eine gelbe Warnweste.

"Ach die!", sagte er, als er meinen Blick bemerkte. "Damit zeige ich meine Solidarität mit den Menschen außerhalb der Anstalt."

"Dann ist doch etwas faul dort draussen."

"Die Welt ausserhalb der Anstalt dreht sich immer schneller. Die Menschen verlieren die Bodenhaftung und werden durch die Zentrifugalkraft weggeschleudert. Je weiter weg vom Zentrum, desto schlimmer. Zuerst erwischt es die Menschen am Rande - die Randständigen. Später kommen die Mittelständigen dran. Am Ende bleiben nur die, die dem Zentrum am nächsten stehen."

"So wie beim Teufelsrad am Oktoberfest in München?

"Genau. Die, die am Schluss noch übrig bleibt, hat gewonnen. Es ist immer das gleiche Prinzip."

"Und dann? Was passiert am Ende?"

"Beim Teufelsrad ist es einfach. Es hält an und ein neues Spiel kann beginnen. Bei dem Spiel auf der Weltscheibe fliegt irgendwann die ganze Chose auseinander. Aus dem daraus entstehenden Chaos wird dann ein neues Spiel gestartet."

"Du reduzierst die Welt auf ein Spiel auf einer Scheibe? Unsere Welt ist doch viel komplexer!"

"Für viele Menschen ist das Leben ein Spiel und die Welt ein Casino. Wer am Ende am meisten hat, ist Sieger. Am meisten Macht, am meisten Geld. Die beiden Dinge sind untrennbar miteinander verbunden. Zwar gibt es im Keller des Casinos noch ein paar Kellerräume, in denen anders gespielt wird. In einem davon geht es vordergründig nicht um Macht und Geld, sondern um Moral. Ein sehr flüchtiger Wert."

"Du bist verrückt!"

"Na klar. Darum bin ich auch hier und du noch dort draußen." Armin deutete auf das Fenster.

"Ist denn das Ende wirklich unvermeidlich? Man könnte doch die Umdrehungsgeschwindigkeit verringern. Dann könnten alle auf der Scheibe bleiben und es würde keinen wegspicken."

Armin kicherte.
"Das geht nicht. Eine stetige Erhöhung der Umdrehungsgeschwindigkeit ist systeminhärent. Wird gebremst, bricht die Achse. Die Gescheiteren unter den Politikern wissen das. Darum sprechen sie auch davon, dass man die "Menschen mitnehmen" müsse. Sie wissen: wenn es zuviele wegspickt, ist das Spiel zu Ende, und ob sie dann Sieger sein werden, ist fraglich. Aber ob dumm oder gescheit, alle klammern sich an das Zentrum, an die Achse der Macht."

"Wird ihnen dabei nicht schwindelig?"

"Natürlich. Darum schwindeln auch die meisten. Es gibt nur wenige, die ohne Schwindel über die Runden kommen."

"Du hast seltsame Ansichten, Armin. Mhm...die Welt als Casino auf einer Scheibe...was wird denn in diesem Casino gespielt? Blackjack, Roulette, oder hebeln alle einfach an den Spielautomaten rum."

"Monopoly natürlich."

Mittwoch, 5. Dezember 2018

Tanz in der Anstalt



Armin tanzte mit Charlie im Korridor als ich gestern in der Anstalt ankam. Die beiden wirbelten herum wie Derwische.
Bereits im Treppenhaus war mir die Musik aufgefallen, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Sie war gefühlt aus dem vorletzten Jahrhundert. "Ski-Twist von Vico Torriani", meldete meine Erinnerung mit Verzögerung.
Bei meinen bisherigen Besuchen in der Anstalt hatte ich zwar gelernt, mich über nichts und niemanden zu wundern, doch beim Anblick der "Kapelle" fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Putin, der Hausmeister, saß mit nacktem und eingeölten Oberkörper am Boden, spielte auf einer Ziehharmonika und sang dazu lauthals. Neben ihm saß das Fibonacci-Kind und begleitete ihn auf einer Flöte.
Es musste eine Zauberflöte sein: feine glitzernde Sterne schwebten durch den Korridor wie Sternenstaub. Mir wurde ganz unwirklich weihnachtlich zumute und ich konnte nicht anders, als mich zu den Musikanten zu setzen.
In diesem Augenblick fielen mir die Töne eines drittes Musikinstruments auf, das im Spiel sein musste. Aus dem tiefen, knarzenden Rhythmus schloss ich auf eine verstimmte Bassgeige. Doch nirgends war ein solches Instrument zu erspähen. Erst als mein Blick auf Putins Hund Trumpi fiel, einen golden Retriever, schloss sich in meinem Hirnkasten das richtige Relais und ich realisierte, dass Trumpi einen Furz nach dem anderen von sich gab.
Fragen über Fragen schwirrten durch meinen Kopf und störten die Relaiskontakte: Was wurde hier gefeiert? Was hatte Trumpi gefressen? Wo war Putins Rasenmäher? Ich hatte ihn noch nie ohne gesehen. Und war das Fibonacci-Kind wirklich Putins Tochter? Ja, war sie überhaupt ein Mädchen und nicht eher ein Junge, nach dem Haarschnitt und den Gesichtszügen zu schließen? Und wieso ähnelte sie Charlie und nicht Putin?
Da ging unvermittelt eine der Türen zu den Zimmern der Patienten auf. Es musste die neben Armins Zimmer sein. Ein Strubbelkopf erschien im Türspalt. Die Zeit hatte deutliche Spuren in ihre Mundwinkel gegraben. "Die Alte mit dem Luftgewehr, schoss es mir durch den Kopf." Ihr Gesicht kam mir bekannt vor. Irgendwo hatte ich sie schon gesehen. Nur die Frisur irritierte mich.
"Möchte jemand einen Tee?", fragte sie mit krächzender Stimme. Wie beim Platzen einer Sicherung setzte die Musik aus. Nur Trumpi ließ noch einen fahren.
"Sie muss eine Hexe sein", dachte ich unwillkürlich.
"Ich habe ihn frisch gebraut", sagte sie, "mit extra viel."
"Viel was?" Wollte ich gerade fragen, doch Putin kam mir zuvor:
"Das wäre nicht nötig gewesen, ich hätte dir Gebrauchtbeutel bringen können, wenn du gefragt hättest. Es hätte dem Klima geholfen."
"39088169", blubberte das Fibonacci-Kind.
"Achte auf deine Zahlen", sagte die Hexe und verschwand wieder, bevor jemand die Tee-Frage beantworten konnte.
"Sie hat bald fertig", sagte Putin und begann sein Lieblingsstück zu spielen: Highway to Hell. 
Verwundert blickte ich auf sein Instrument. Ich hatte das Stück noch nie aus einem Schifferklavier gehört. Doch er spielte es virtuos und hämmerte auf den Tasten rum, sodass ich unwillkürlich an eine Stalinorgel denken musste."
Das Fibonacci-Kind begleitete ihn diesmal nicht. Stattdessen sagte es kaum hörbar:
"Betrete keinen fremden Traum, ohne vorher zu fragen."
Ich war baff. Es war das erste Mal, dass ich aus ihrem oder seinem Mund etwas anderes hörte als Zahlen. Aber noch bevor ich antworten konnte, verlor ich den Kontakt zu dieser Wirklichkeit.

Das nächste was ich wahrnahm, war das Rauschen von Wasser. Alarmiert öffnete ich die Augen. Ich lag in Armins Zimmer auf dem Bett. Er goss eine goldgelbe Flüssigkeit aus einer Flasche in einen Becher und reichte ihn mir.
"Nichts ist wie es scheint", sagte er zu mir. "Trotzdem ist alles miteinander verwoben."
"Was ist geschehen?"
"Nichts, eine kleine Schwäche, nur eine kleine Schwäche." 

Samstag, 1. Dezember 2018

Gedankenspiele



Heute hatte ich wieder Unterricht bei Bienchen. Aber ich war nicht richtig bei der Sache und grübelte immer wieder über meine Träume der vergangenen Nacht.

"Hörst du mir überhaupt zu?" Fragte mich Bienchen, faltete ihre Stirn zu einer Furche und musterte mich über den Brillenrand.

"...doch, doch...aber ich hatte gestern Nacht eine Begegnung mit Herrn Fourier - natürlich nur im Traum."

"Jean Babtiste Joseph Fourier, wie ich deine nächtlichen Zeitreisen kenne."

"Genau der. Und er hat mir erklärt, wie das mit dem Wirkungsgrad und der Batterie funktioniert. Und ich frage mich noch immer, wieso man nicht mehr als die Hälfte der Energie aus der Quelle rausbekommt."

Bienchen starrte mich an, als wäre ich ein Alienmonster.
"Du bringst wieder mal alles durcheinander. Dabei haben wir das doch schon vor zwei Wochen besprochen. Außerdem konnte das der Joseph damals noch gar nicht wissen."

"Aber du hast mir doch erklärt, dass eine Batterie ihre maximale Leistung abgibt, wenn der angeschlossene Lastwiderstand gleich gross ist wie der Innenwiderstand der Batterie. Und in diesem Fall wird am Innenwiderstand genau gleich viel Energie verheizt wie an der Last. Ich erinnere mich noch genau, den wir haben über Norton und Thévenin gesprochen und den beiden bin ich in meinen Träumen noch nie begegnet."

"Ach so, jetzt bringst du noch die beiden ins Spiel. Ich denke du verwechselst etwas Grundsätzliches. Selbstverständlich kann man einer Spannungsquelle oder eben einer Batterie die maximale Leistung nur entlocken, wenn Rl = Ri ist. Aber kein vernünftiger Mensch tut sowas. Das würde eine Batterie innert kürzester Zeit in den Exitus treiben. Stell dir deine arme Autobatterie vor. Auch in deinem alten Opel hat die sicher um die 10 Milliohm Innenwiderstand. Wenn du 10 Milliohm als Last dranhängst fliessen da mal kurz 600 Ampère. Da hast du dann einige Kilowatt Leistung, die sich Innenwiderstand und Last teilen müssen. Das gibt ein tolles Feuerwerk. Dabei können wir glatt vernachlässigen, dass der Innenwiderstand lastabhängig ist. Sowas tut man einer Batterie nicht an."

"Dann ziehe ich praktisch immer viel weniger Energie aus einer Batterie als maximal möglich ist?"

"Vernünftigerweise Ja."

"Aber dann sinkt doch der Wirkungsgrad meiner Quelle weit unter 50%!"

"Falsch. Maximal mögliche Leistungsentnahme und Wirkungsgrad sind zwei verschiedene Paar Stiefel. Das ohmsche Gesetz solltest du ja beherrschen, dann kannst du es selbst ausrechnen. Je größer der Lastwiderstand ist, desto besser der Wirkungsgrad der Quelle.


"Mhm...das mag ja auf eine Batterie zutreffen, aber wie ist es dann zum Beispiel mit einem Sender. Der ist ja eigentlich nichts anderes als eine Wechselstromquelle. Gelten da nicht andere Regeln. Da habe ich doch komplexe Impedanzen und der Sender muss am Ausgang 50 Ohm haben um perfekt an das 50 Ohm Koaxkabel angepasst zu sein. Innenwiderstand und Last sind also gleich gross. Ergo kann mein Sender nie mehr als 50% Wirkungsgrad haben."

"Das ist ein Fehlschluss. Aber vereinfachen wir das Ganze mal ein wenig. Vergiss komplexe Impedanzen, vergiss die 50 Ohm Leitung und lass uns nur von reellen Widerständen sprechen. Darum hängen wir am Senderausgang gedanklich einfach einen Dummy Load an, eine Kunstlast ohne Blindwiderstand."

"Aber wir haben ja Wechselstrom. Der Sender durchfährt doch dauernd die Sinuskurve und Spannung und Strom sind jeweils nur nach 180 Grad wieder gleich. Da müssen wir doch mit komplexen Zahlen Rechnen, sonst blicken wir nicht durch!"

"Ach was! Vereinfachen wir die ganze Chose einfach noch weiter und nehmen anstelle eines Sinus einen ordinären Rechteck. Nehmen wir an, der Sender habe eine Gegentaktendstufe mit zwei MOSFET und steuere diese abwechslungsweise voll durch. Wir haben also nach wie vor einen Wechselstrom." Bienchen schenkte mir ihr schönstes Haifischlächeln.


"Aber diese MOSFET haben ja einen sehr kleinen Durchlasswiderstand. Wenn der quasi dem  Innenwiderstand des Senders entspricht, wie komme ich dann auf die 50 Ohm meines Dummy Loads, den ich angeschlossen habe."

Bienchen gluckste.
"Das brauche ich doch gar nicht für diesen dämlichen Dummy. Wie wir vorhin besprochen haben, wird die maximal mögliche Leistungsabgabe des Senders zwar nicht erreicht. Dank des sehr kleinen Innenwiderstandes der Endstufe haben wir aber einen hohen Wirkungsgrad. Je nach Transistoren weit über 90%."

"Schön und gut, aber wenn ich jetzt mein Koaxialkabel mit 50 Ohm Impedanz anhänge, funktioniert es nicht mehr!", trumpfte ich auf.

"Dafür gibt es Transformatoren."

"Das ist doch verrückt. Du vereinfachst die Sache bis zur Unkenntlichkeit."

Bienchen zuckte die Schultern.
"Es ist besser, die Dinge zu vereinfachen um sie zu begreifen. Sie werden dann später von selbst wieder kompliziert.
Aber genauso funktioniert es. Häng' nach dem Trafo noch ein Tiefpassfilter dran um den Herrn Fourier mit seinen Harmonischen zu unterdrücken, und du hast zum Beispiel einen einfachen aber hocheffizienten Telegrafie-Sender."

"Aber manche Funker haben auch ein Mikrofon und möchten den Sender gerne modulieren. Was jetzt Bienchen? Jetzt wird es doch kompliziert!" Ich versuchte ihr Haifischlächeln zu imitieren.

"Ganz und gar nicht, mein lieber Funkerlehrling. Ich mache einfach Pulsbreitenmodulation. Das ist ein variables Rechteck-Signal. Der Wirkungsgrad bleibt somit hoch. So funktionieren moderne Audio-Endstufen und übrigens auch Hörgeräte. Die Kunden freuen sich, wenn sie dank des hohen Wirkungsgrades weniger oft Batterien wechseln müssen," grinste sie zurück.
"Ich brauche das Audiosignal (grün) nur mit einem Sägezahn (blau) zu takten, wie du hier sehen kannst:"


"Und wenn ich jetzt nicht eine Pulsbreitenmodulation aus meiner Senderendstufe oder dem Audioverstärker möchte, sondern ein wunderschönes Sinussignal. Dann ist doch alles futsch und der Wirkungsgrad im Keller!"

"Genau so ist es. Es gibt ja die verschiedenen Senderklassen von A bis C. A ist rein und fein und C ist gruselig verzerrt und bloss für FM geeignet. Je mehr du dich vom Rechteck entfernst, desto schlechter wird dein Wirkungsgrad. Denn bei einem Sinus sind deine Transistoren nur an zwei Punkten innerhalb 360Grad voll durchgesteuert. Und das auch nur im Idealfall. bei voller Aussteuerung. Aber wer sendet denn heute noch sowas."

"Vielleicht die, die keine Oberwellen möchten. Dieses Rechteck-Signal hat doch jede Menge Harmonische."

"Jetzt kannst du wieder von deinem Joseph Fourier träumen, wenn du es genau wissen möchtest. Aber so schlimm ist es nicht. Ein Rechteck hat bloss die 3., die 5., die 7. Harmonische etc. intus - keine Geradzahligen. Wobei die 3. ein Drittel der Amplitude des Grundsignal hat und die fünfte 1/5 beziehungsweise die siebente 1/7. Wenn du deinen dB Rechner anwirfst, wirst du feststellen, dass da nichts ist, was ein gutes Tiefpassfilter nicht wegkriegen könnte. Das verschlechtert den Wirkungsgrad zwar wieder ein wenig, aber ein bisschen Wärme kann ja nie schaden. In einem Hörgerät übernimmt übrigens der winzige Lautsprecher die Rolle des Tiefpasses."

"Jetzt raucht mir aber gewaltig der Kopf. Ich glaub' ich werfe nicht den Rechner an, sondern weg."

"Den brauchst du aber noch für die Prüfung."