Dienstag, 15. Januar 2019

Aethermagie von VHF bis SHF



Auf UKW und in den Mikrowellenbändern gibt es so viele unterschiedliche Ausbreitungsarten. Troposcatter, Diffraktion, Reflexion, Spiegelung an Temperaturinversionen, Flugzeugscatter, Regenscatter, Aurora, Meteorscatter, sporadische E-Schicht. Wie kann man wissen, auf welchem Weg die Wellen zu einem kommen? Gibt es eine Möglichkeit das festzustellen?
(scatter = streuen)

Genau diese Frage habe ich Armin bei meinem letzten Besuch in der Anstalt gestellt. Hier seine Antworten:

"Einige dieser Ausbreitungsarten treten bevorzugt nur in bestimmten Frequenzbereichen auf. Dazu gehört zum Beispiel Regenscatter. Das funktioniert am besten im 10 GHz Band. Weiter unten im 5.7 GHz Band sind die Reflexionen an den Regentropfen, Eiskristallen oder Schneeflocken wesentlich schwächer, nämlich ca -12dB. Im 3.4 GHz Band sind sie bereits ca. -19dB schwächer als im 10 GHz Band. Aber dieses Band darf hierzulande ohnehin nicht benutzt werden.
 Weiter oben, im 24 GHz Band funktioniert Rainscatter auch. Allerdings verursacht dort die Adsorption durch den Wasserdampf sehr hohe Zusatzverluste. Aber die Erfahrungen der Radioamateure sind auf diesem Band wegen der geringen Aktivität und den bisher geringen verwendeten Leistungen noch spärlich.
Regenscatter erkennt man an breiten sehr stark verzerrten Signalen. CW klingt, als würde mit Rauschen gemorst und SSB ist so verzerrt, dass es schwer verständlich ist.
Nur in FM sind gute Sprachverbindungen möglich. 
Funkverbindungen über Nordlichter - Aurora - klingen sehr ähnlich. Aber die passieren in der Regel nur im unteren VHF-Bereich - 6m und 2m Band - und manchmal noch auf 70cm. Zudem profitieren davon hauptsächlich die "Nordlichter" unter den Funkamateuren. Hierzulande sind Aurora-Verbindungen ein seltenes Phänomen."

"Ich habe gehört Troposcatter sei die häufigste Ausbreitungsart auf UKW. Wie hört sich denn die an?", fragte ich Armin,

"Bei den kommerziellen Diensten ist es wohl die direkte Sichtverbindung, die bevorzugt wird und am meisten zum Tragen kommt und nicht Troposcatter.
Doch im Amateurfunk kommen Sichtverbindungen wohl nur bei Relaisbetrieb und in Orts-QSO's vor. Troposcatter ist tatsächlich die meist verbreitete Ausbreitungsart. Sie geschieht durch Reflexion an den Unregelmäßigkeiten der Atmosphäre. Wenn du die Lichtglocke einer fernen Stadt in der Nacht erkennen kannst, handelt es sich vermutlich um Troposcatter. Das ist eine Ausbreitungsart die auf allen VHF/UHF/SHF/EHF Bändern bis hinauf in das Lichtspektrum geläufig ist. Zumindest im flachen Land, wo keine Berge oder grössere Hügel als Reflektoren zur Verfügung stehen. Die Signale sind dabei nicht konstant und häufig mit raschem QSB behaftet, bis hin zu Flattern oder tiefem Brummen."

"Aber spielt da nicht die Diffraktion, die Beugung, auch eine große Rolle?"

"Natürlich, denn auch die Diffraktion ist eine geläufige Ausbreitungsart. In Wirklichkeit kommen die verschiedenen Ausbreitungsarten oft gemischt vor. Reine Diffraktion - zum Beipiel an einem Hochgebirgskamm - ist eine relativ konstante Ausbreitungsart und mit wenig QSB behaftet. Dies im Gegensatz zu Troposcatter."

"Spielen diese Ausbreitungsarten auch im Alpenraum die Hauptrolle?"

"Nein. Eine UKW/Mikrowellenstation findet im Alpenraum ganz andere Bedingungen vor als im Flachland oder an der Küste. Der hohe Horizont macht Troposcatter schwieriger, außer man kraxelt auf einen (SOTA-) Berg. Jedes Grad Elevation reduziert das Signal für eine bestimmte Tropostrecke um 9 . 12dB. Denn mit ansteigendem Winkel steigt auch die Region in der Troposphäre, in der die Streuung stattfinden muss. Und je höher, desto schwächer wird die Streuwirkung der immer dünner werdenden Atmosphäre.
Die zusätzlichen Verluste durch hohe Elevation drücken natürlich auf die mögliche Funk-Distanz."

"Aber man kann über die Alpen hinweg senden und italienische Stationen erreichen. Das ist doch auch Troposcatter."

"Zum Teil ist es auch Diffraktion. Wenn das Signal eher konstant ist, handelt es sich um Diffraktion, ist starkes und rasches QSB im Spiel. ist es eher Troposcatter. Aber der Ausbreitungspfad über die Alpen ist nicht allein den Alpenbewohnern vorbehalten. Auch Stationen im Süddeutschen Raum profitieren davon."

"Welche Rolle spielen die Flugzeuge. Über Mitteleuropa ist der Himmel ja hummelvoll."

"Flugzeugreflexionen konkurrieren in der Tat mit Troposcatter. Kurzfristige Signalanstiege gehen meistens auf ihre Rechnung. Taucht ein Signal einer weit entfernten Station unvermittelt aus dem Rauschen auf und bleibt für einige Sekunden, bis es wieder im Nirwana versinkt, ist meist ein Flugzeug im Spiel. Mit einem entsprechenden Tool, effizienter Betriebstechnik und modernen digitalen Betriebsarten, können so Verbindungen über Hunderte von Kilometern quasi "vorprogrammiert" werden."

"Aber zurück zum Alpenraum. Welche ist denn hier die vorherrschende Ausbreitungsart?"

"Ganz klar die Reflexion und das gilt für alle Bänder von VHF bis zu den Mikrowellen. Wenn zwei Stationen den gleichen Berg oder Hügel sehen, so ist jederzeit eine Verbindung über diesen Reflexionspunkt möglich, sozusagen über Berge und Täler hinweg. Nicht nur markante Felswänd oder Firnfelder reflektieren die Wellen, auch bewaldete Hänge tun es. Wenn dann der Sturmwind durch die Tannen braust, wird das QSB besonders ausgeprägt. Natürlich "leiden" solche Verbindungen auch an Mehrwegausbreitung, was sich besonders bei FM in Modulationsverzerrungen zeigen kann. Rundstrahlantennen sind für Reflexions-Verbindungen keine gute Wahl."

"Aber wie merke ich, dass ich über eine Reflexion arbeite?"

"Nur an der Antennenrichtung. Je schärfer der Strahl des Richtstrahlers ist, desto eindeutiger wird der Befund. Es gibt übrigens auch ein Online-Tool, mit dem man feststellen kann, welche Berge man von einem bestimmten Standort aus sehen kann. Aber jetzt ist schon spät, lieber Freund. Ich denke, du solltest gehen, bevor die Anstalt geschlossen wird. Wir können ja ein andermal über Ausbreitung weiter diskutieren."

"Ja, ist klar. Nur noch eine letzte Frage. Welche Rolle spielen Verbindungen an Temperaturinversionen. Und wie kann ich sie erkennen oder von Troposcatter unterscheiden?"

Armin seuzte.
"Das ist ein leidiges Thema. Die stabilen Hochwetterlagen, vor allem im Herbst, die für weitreichende Inversionsschichten notwenig sind, sind selten geworden. Während man vor drei Jahrzehnten noch auf sie zählen konnte, machen sie sich rar. Aber wenn du diesem seltenen Tier begegnest, wirst du es sofort erkennen. Im Vergleich zu Troposcatter sind die Signalstärken viel grösser und die Bänder können stundenlang offen bleiben. Ob 2m, 23cm oder 3cm, wenn sich die Wellen mal zwischen zwei Temperaturschichten verirren, dann reisen sie, nur durch die Freiraumdämpfung behindert, spielend über tausend Kilometer."

"Prima, aber was ist...."

"Du solltest jetzt tatsächlich gehen. Ich höre schon Putin, den Hauswart, mit dem Schlüsselbund klingeln und Highway to Hell pfeifen."


Quelle: Troposcatter inside and out von Palle OZ1RH


 



  

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