Dienstag, 8. Januar 2019

Bienchen und der Herr Farad



Bienchen bringt mir alles bei, was ich für die Funkerprüfung wissen muss. Plus jede Menge Zeuxs, das ich nicht wissen muss. Heute wollte sie mir sogar erklären, wie man eine gedruckte Schaltung macht. Dabei sind wir unvermittelt beim Farad gelandet. Nicht zu verwechseln mit dem Fahrrad, das hierzulande Velo heißt. Ein kleines Fahrrad ist übrigens ein Velöli, auch wenn kein Löli draufsitzt. Ein kleines Farad ist dagegen ein Mikrofarad.
Bienchen ist für mich die perfekte Lehrerin und auch die einzige dieser Sorte Mensch, wo ich keine Allergie kriege, wenn sie den Mund aufmacht. Vermutlich weil sie nicht diesen typischen Lehrerton drauf hat und mich nicht bei jedem Wort korrigiert, das ich falsch ausspreche.

"So eine gedruckte Schaltung ist eine praktische Sache", sagte sie heute zu mir. "Du musst dich nur einmal anstrengen und dann kannst du deine Gedanken beliebig vervielfältigen. Wenn du hingegen eine dieser schrecklichen Lochrasterplatinen nimmst, musst du jedesmal wieder deinen Gedankenapparat einschalten, wenn du wieder eine Schaltung baust."

"Das mag ja stimmen", entgegnete ich, "aber ich habe nicht die Absicht, zweimal die gleiche Schaltung zubauen. Ich bin ja keine Fabrik."

Bienchen formte ihre Stirn zu einer steilen Furche und hob eine Augenbraue.

"Außerdem sind mir weder Leiterplatten noch Lochrasterplatinen sympathisch. Sie verlangen nämlich danach, dass man oben und unten gleichzeitig denken muss. Dass schafft mein einfach strukturiertes Gehirn nicht."

"Dann bevorzugst du Schaltungen, wie man sie früher in den Röhrengeräten gemacht hat: freie Verdrahtung auf der Unterseite des Chassis?"

"Das hat durchaus seinen Reiz und ich denke, dass ich als erstes ein Röhrengerät bauen werde, wenn ich die Lizenz zum Löten in der Tasche habe. Jeder Funker sollte einmal im Leben ein Röhrengerät gebaut haben."

"Das hat was", gab Bienchen zu. "Wenn du die Elektronenröhren verstehst, begreifst du auch die Feldeffekt-Transistoren. Und wenn dir die Röhren eines Tages ausgehen, kannst du mit einigen Modifikationen MOSFET in die Röhrensockel stecken."

"Na ja, auch bei Röhrengeräten muss man oben und unten denken", schränkte ich ein. Ich denke ich werde einfach eine gedruckte Schaltung bauen, bei der alles oben ist - Bauteile und Lötstellen."

"Wie denn das?"

"Ich schneide mir einfach passende Stücke aus einer einseitig mit Kupfer beschichteten Platine aus und klebe sie auf eine andere Platine als Massefläche, so wie ich das bei Anton gesehen habe. Dann schaffe ich auch komplizierte Schaltungen mit einseitigem Denken."

"Das ist eine gute Idee, besonders für HF-Schaltungen. Aber denke daran, dass jedes Platinenstück, das du aufklebst, einen zusätzlichen Kondensator darstellt. Das musst du berücksichtigen und es wird um so wichtiger, je höher die Frequenzen in deiner Schaltung sind."

"Was hat denn so ein Platinenteil für eine Kapazität?"

"Mhm...nehmen wir mal an, du nimmst gängiges Material in FR4 mit 1.6mm Dicke, dann hast du rasch mal ein paar Picofarad zusammen, wenn du nicht aufpasst. Nimmst du dünneres Material - zum Beispiel 0.5mm - hast du noch mehr Kapazität. Denk doch an den Herrn Farad. Du bist ihm sicher schon im Traum begegnet."

"Ja, dem lieben Michael Faraday bin ich schon begegnet. Er hat mir seinen Pharaonenkäfig gezeigt. Auch der Coulomb ist mir schon im Traum über den Weg gelaufen. Deshalb habe ich mir gemerkt, dass ich ein Coulomb Ladung kriege, wenn ich einen Kondensator in einer Sekunde mit einem Ampere auf ein Volt auflade. Beim letzten Mal als mir das passiert ist, ist der Feuermelder angegangen."

"Oh, dann ist es mit deiner Demenz ja nicht so schlimm und du brauchst später nicht in DMR zu funken. Da ist dir sicher auch klar, dass ein solcher Kondensator genau ein Farad Kapazität hat.

"Was nützt mir das, wenn ich die Kapazität meiner Platinenstücke auf der Grundplatte ausrechnen will?"

"Du brauchst jetzt nur noch die Dielektrizitätskonstante und schon kannst du deinen Taschenrechner zücken. Natürlich musst du noch wissen, dass die Kapazität eines Kondensators mit zunehmender Plattenfläche und abnehmender Plattendistanz zunimmt. Logisch."

"Natürlich weiss ich das. Logisch. Ich habe mir sogar die Dielektrizität des Vakuums gemerkt. Die ist nämlich so um die 8.85 mal zehn hoch minus 12."

"Ja, das ist die Permettivität des Vakuums. Und zwar in As/Vm, also Amperesekunden über Voltmeter. Jetzt musst du das nur noch mit dem Verhältnis von Plattenfläche zu Plattenabstand multiplizieren, also mit Fläche/Abstand. Natürlich musst du auch hier die Grundeinheiten Quadratmeter und Meter einsetzen. Und du darfst nicht vergessen, dass in einen Quadratmeter eine Million Quadratmillimeter passen, in einen Meter aber nur tausend Millimeter."

"Das ist aber unpraktisch. Was mache ich denn mit diesen Metern in der Formel?"

"Die Meter kannst du wegkürzen und dann bleiben dir nur noch As/V und das sind Farad, wie du gemerkt hast."

"Mhm. Das ergibt dann so eine kleine Zahl mit zehn hoch minus 12 dahinter. Mhmm...das wären dann also Picofarad."

"Genau! Wir haben jetzt nur noch die Dielektrizitätskonstante des Platinenmaterials vergessen. Die gibt an, wie viel mal die Permettivität deines Materials besser als das Vakuum ist."

"Also etwa einen Faktor vier für FR4-Material. Da würde so ein aufgeklebter viereckiger Lötstützpunkt mit 10x10mm und 1.6mm Dicke gegen die Masseplatte etwa 2.2pF haben.
Aber weißt du, Bienchen. Das ist alles viel zu kompliziert und ich rechne nicht gerne mit diesen alten Herren. Ich klebe einfach mal zwei grosse Platten aufeinander und messe sie mit meinem Kapazitätsmessgerät. Dann kann ich das für die kleinen Teile einfach skalieren."



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