Dienstag, 20. August 2019

HE3OM Sottens 2011 _ Schlussbericht



Gestern bin ich persönlich ins Archiv der Anstalt hinunter gestiegen, um eine Zusammenfassung des Betriebs von HE3OM zu suchen. Die folgenden Blog-Fundstücke aus dem Jahr 2011 sollen den Bericht über die Langwellen-Station HE3OM in Sottens nun abschließen. 



Die Operation HE3OM geht diese Woche zu Ende. Am 4. März um Mitternacht ist endgültig Schluss, am Samstag wird abgeräumt. Zeit für ein paar Schlussgedanken.
Am 1.2.1998 fand das erste Langwellen-QSO zwischen zwei Schweizer Stationen statt: zwischen Paul, HB9DFQ in Watt bei Regensdorf, und mir, HB9ASB in St.Antoni im Kanton Freiburg. Die CW-Signale waren schwach, die ausgetauschten Rapporte lagen bei 519. Am 10.3.1998 kam dann eine Verbindung mit Bert, HB9DCE in der Nähe von Winterthur, zustande und am 16.3.1998 mit Marco, HB9BGG. Mehr als diese vier Stationen waren aus der Schweiz meines Wissens auf Langwelle nie QRV – bis am 30.11.2011 HE3OM seinen ersten Ruf in den Äther schickte.
In den dreizehn Jahren dazwischen hat sich die Langwellen-Szene gewandelt. Viele Stationen aus der Pionierzeit sind heute nicht mehr QRV und in klassischem CW wird kaum mehr gefunkt. QRSS ist die beherrschende Betriebsart. Extrem langsame Telegraphie mit Punktlängen zwischen 3 und 120 Sekunden, vom Computer generiert und von blossem Auge auf einer Wasserfallanzeige decodiert. Völlig stressfrei, das pure Gegenteil von hektischem Contest-Betrieb. Dafür kommen Verbindungen zustande, die sonst nicht möglich wären.
Gegen Ende des letzten Jahres hatte ich ein QSO mit Yves, HB9DTX, auf 432 MHz in SSB und erfuhr dabei zum ersten Mal von der geplanten Operation in Sottens. Yves wusste, dass ich auf Langwelle QRV war und fragte mich, ob ich mitmachen wolle. Keine Frage! Ich sagte spontan zu. Mein Langwellensender, der letzte in einer Reihe von fünf, den ich 1999 gebaut hatte, langweilte sich im Keller. Ich machte ihn wieder betriebsklar und machte mir Gedanken über die Anpassung der Antenne in Sottens. Die junge Generation von Ingenieuren simuliert natürlich gerne Antennen auf dem Computer, bevor sie in der Praxis ausprobiert werden, und so landeten schon bald die ersten Analysen in meiner Mailbox. Die errechneten Impedanzwerte lagen im Bereich meiner Abschätzungen und das Strahlungsdiagramm sah auch so aus, wie ich es von einem 125m-Strahler erwartete. Der Turm stand isoliert, eine ideale Voraussetzung. Mit einem Variometer von ca. einem Millihenry würde die Antenne problemlos anzupassen sein. Keine grosse Sache, eine Spule auf einem kleinen Plastikkübel, die sich in einem grösseren drehen lässt. Damit kann man die Kapazität der zu kurzen Antenne kompensieren. Die Einspeisung erfolgt dann über einen Abgriff auf der Spule.
Glücklicherweise wollten die OM’s den 188m hohen Hauptmast auf Kurzwelle aktivieren und nicht den „kleinen“ 125m Reservemast. Am Grossen hätten wir uns die Zähne ausgebissen. Der Mast ist nämlich geerdet und trägt einen Vertikaldipol für 765 kHz, der in Form von sechs Stahlseilen quasi darübergestülpt wurde. Das funktionierte nur, weil der Mast eine halbe Wellenlänge hoch war. Schon die Benutzung dieses Gebildes für Kurzwelle war eine Herausforderung und wie sich später herausstellte war diese Antenne für 160, 80 oder gar 40m nicht so gut wie sie hoch war. Nicht nur wegen der krassen Fehlanpassung mit der die Antennentuner geplagt werden mussten, sondern vor allem wegen der Höhe. Für die kurzen Wellen ist der Mast zu hoch und der Erhebungswinkel der abgestrahlten Wellen nicht ideal für DX. Hätten wir diesen Mast für Langwelle „zugeteilt bekommen“, hätten wir wohl raufklettern müssen um zuoberst einen Draht zu befestigen um ihn dann schräg nach unten zu spannen. Doch raufklettern hatte uns die Swisscom strengstens verboten.
Also waren wir ganz zufrieden mit dem „Kleinen“. Aber nur, weil wir noch nicht wussten, was da noch auf uns zukommen würde. Doch wer ist „wir“? Beim Installieren der Station halfen viele mit. Unter anderen HB9CGL, HB9DUL, HB9DUI, HB9IIV, HB9TOB, HB9DBC, HB9IIB und natürlich HB9TUH, der Präsident des RAV (Radio Amateurs Vaudois). Selten habe ich ein so tolles Teamwork erlebt, jeder hat zum guten Gelingen dieser Operation beigetragen.
Als Operateure wirkten dann später neben mir auch Kurt, HB9AFI, Iacopo, HB9DUL und Claude-Alain, HB9CGL an der Taste, bzw. am Computer.
Probleme zu lösen gab es bei der Langwellenstation einige. Das Wichtigste und Interessanteste war wohl die Erdungsdrossel. Ein Standbein des Masts war über eine grosse Spule geerdet, durch die auch das Kabel für die Stromversorgung der Beleuchtung gezogen war. Ihre Induktivität war für 765 kHz dimensioniert, auf 136 kHz war sie ein Kurzschluss. Am liebsten hätte ich sie einfach abgesägt, doch das ging wegen der Beleuchtung nicht, sonst wäre vielleicht eines Nachts ein Flieger im Mast hängen geblieben. Zuerst überlegten wir uns, ob wir die Induktivität nicht durch Einbringen von Ferriten erhöhen konnten, doch dann entschlossen wir uns, die Spule mit einem Parallelkondensator zu einem Schwingkreis zu ergänzen. Dieser Sperrkreis auf 137 kHz löste dann tatsächlich das Problem. Schwierig war es nur, die passenden Kondensatoren zu finden und den Schwingkreis abzugleichen. Auch unsere grössten Kondensatoren (alte, in braunem Kunstharz vergossene Glimmerkondensatoren aus den USA) hielten dem grossen Blindstrom nicht stand und wurden heiss. Schliesslich half uns ein Swisscom-Mitarbeiter mit einer Schachtel voller Scheibenkondensatoren aus der Patsche. Zur Feinabstimmung benutzen wir einen der mächtigen Kondensatoren im Häuschen unter dem Mast, der Teil der „Matchbox“ für den 765kHz Sender gewesen war.
Apropos Häuschen: das war unser Shack. Normalerweise hat man ja ein Haus mit einer Antenne. Wir hatten nun eine Antenne mit Haus. In diesem Häuschen belegten das Variometer und die Abstimmkondensatoren für 765 kHz die Hälfte des Platzes. Die andere Hälfte gehörte uns. Und die war eisig kalt. Auf dem Hochplateau von Sottens weht häufig eine heftige Bise und Februar gehört bekanntlich nicht zu den warmen Monaten. Trotz zwei Keramikheizern à 1.5kW kamen wir nicht über 10 Grad. Wir funkten in Skijacke und mit Mütze. Doch dann kam die Rettung. Olivier, HB9TOB, kam mit schwerem Geschütz zu Hilfe, in Form von alten Direktheizern, die bei der Renovation seines Hauses übrig geblieben waren.
Die erste Funkverbinung auf Langwelle tätigten wir in CW auf 137.3 kHz mit – wie könnte es anders sein – Paul, HB9DFQ. Auch Bert, HB9DCE, reaktivierte seine Station. Dann folgten einige Crossbandverbindungen 137.3kHz / 3.5 & 7 MHz. Doch das Interesse hielt sich in Grenzen. Obschon unser Signal überall in Europa gut zu hören war, auch mit unangepassten Antennen. Wir erhielten bald einige interessante Empfangsrapporte, unter anderen aus Haifa in Israel.
Auch Langwellen-QSO’s in CW kamen nur wenige zustande. Die am weitesten entfernte Station, die wir in normalem CW kontaktieren konnten, war Mal, G3KEV in der Nähe von London. Mein Distanzrekord für normales CW auf Langwelle aus dem Jahre 1999 mit OH1TN blieb unangetastet. So stiegen wir bald um auf QRSS, auf computergestützte, extrem langsame Telegrafie. Nun änderte sich die Situation und die Rekorde purzelten einer nach dem anderen.
Fortsetzung folgt
73 de Anton
Veröffentlicht am 3. März 2011

In QRSS gelangen einige Erstverbindungen von der Schweiz aus, die bisher noch keine der vier erwähnten Schweizer Langwellenpioniere zustande gebracht hat. Das erste Premiere-QSO hatten wir mit YO2IS, Suli in Timisoara. Wir hatten ihn schon zuvor in Crossband kontaktiert. Doch jetzt konnten wir Suli auch in QRSS3 (1Punkt = 3 Sekunden) aufnehmen. Zwar nicht gerade mit einem O (gut), aber immerhin mit einem M (teilweise). Dabei handelt es sich um das übliche Rapport-System bei QRSS-Betrieb: O,M,T, drei Striche, zwei Striche, ein Strich. Letzterer steht für „nicht lesbar“. Denn in QRSS muss gespart werden. Auf alles Überflüssige wird verzichtet, PSE, DE, UR etc. kommen nicht vor, da sie keine Informationen enthalten. Ein CQ-Ruf lautet also kurz und bündig: CQ HE3OM K. Und die Antwort darauf: HE3OM HB9ASB K. Wenn mir dann HE3OM einen Rapport sendet wird auf den Präfix verzichten: ASB OM O K. Dann kommt die Rückmeldung: OM R O K. R steht für eine Bestätigung des Empfangs, O für den Rapport. HE3OM wird dann das QSO beenden und da die Rufzeichen genügend ausgetauscht wurden lautet der Text: 73 TU SK. Wie ihr sehen könnt, ist QRSS eine strenge Sprache, man kürzt, wo es nur geht. Glücklicherweise gehen wir im Alltag nicht so miteinander um.
Die zweite Premiere feierten wir dann mit einer Verbindung mit RA3YO in Moskau über eine Distanz von 2350km. Dabei hätten wir auf unserer Seite eigentlich gar kein QRSS benützen müssen. Dmitri konnte unser Signal gut hören. Er kam übrigens in einer Variante von QRSS zurück, in DFCW (Dual Frequency CW). Dabei sind Punkte und Striche gleich lang, aber unterschiedlich in der Frequenz. Je nach Geschwindigkeit beträgt der Frequenzshift einige Hertz oder sogar nur Bruchteile davon. Damit kann nicht nur die Strichlänge auf Punktlänge verkürzt werden, die Abstände zwischen Punkten und Strichen innerhalb der Zeichen entfallen. So wird QRSS wieder schneller, ohne an Lesbarkeit einzubüssen.
Nach RA3YO konnten wir auch noch RN3AGC arbeiten. Ebenfalls in der Umgebung von Moskau und etwa in gleicher Entfernung. Darauf folgte nochmals eine Erstverbindung: ES5AM, Mati aus KO38gr in Estland.
Am 18.2., gegen Mitternacht, gelang uns dann der grosse Sprung. W1VD, Jay in Burlington, CT, hatte uns auf dem Schirm. Da uns Martial, HB9TUH, freundlicherweise das Internet eingerichtet hatte (per Richtstrahlverbindung), konnten wir live mitsehen. Unser Traum von der Überquerung des Atlantiks ging endlich in Erfüllung. Nicht, dass wir die erste europäische Station gewesen wären, die das schaffte, englische Stationen hatten das schon Jahre zuvor zu Stande gebracht, aber das tat der Freude keinen Abbruch. Wir waren erstaunt, wie gut wir auf der anderen Seite zu sehen waren und das in der schnellsten QRSS-Betriebsart mit 3-Sekunden Punkten. Die Zeichen auf der anderen Seite sahen zwar etwas verwackelt aus und wir spekulierten darüber, ob sie vielleicht von  Ionosphäre frequenzmoduliert wurden, die gerade von einem Sonnensturm aufgewühlt wurde. Aber sie waren gut lesbar. Jay antwortete auf 40m in CW. Fast hätten wir ihn im Hickhack des dort laufenden Contests verloren, doch Claude-Alains geschulte CW-Ohren konnten in immer wieder aufspüren. Während dieser Zeit tobte übrigens ein schweres Gewitter über Burlington, recht ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Sturm in der Ionosphäre, Gewitter in der Atmosphäre, welch abenteuerliche Bedingungen.
Diese Erfahrung hatte uns übermütig werden lassen. Wenn es mit den USA klappte, könnte es doch auch auf die andere Seite gehen, gegen Japan! Der bekannte Low Band DXer JA7NI war auch auf 136 kHz QRV und war bereits in Russland empfangen, bzw. gesehen worden. Wir kontaktierten Yasi, JA8SCD, der für Kuni, JA7NI, die Skeds abmacht. Doch der erste Versuch mit Kuni war eine Enttäuschung. Von unserem Signal war in Tokio nichts zu sehen, obschon wir die Geschwindigkeit bis auf QRSS60 reduzierten. Doch dann, am 21.2. tauchte auf der Wasserfallanzeige von JA7NI, die wir auf dem Internet beobachten konnten, plötzlich eine schwache Drei auf und dann ganz klar und deutlich der Suffix OM. War das wirklich unser Signal? Als wir am darauf folgenden Samstag den Test wiederholten, konnten wir die Zweifel ausräumen. Während Stunden tauchte unser Signal immer wieder auf Kunis Schirm auf, in einer Distanz von fast 10‘000km und nach einem Pfad, der zum grössten Teil über Land führte. Das QSB war ausgeprägt und entschied über „sichtbar“ oder „unsichtbar“. Es schwankte in einem Rhythmus von ungefähr einer halben Stunde. Wir fühlten uns wie Marconi und feierten das Ereignis mit Champagner, den Christian, HB9DBC, mitgebracht hatte. Kunis Signal konnten wir jedoch nicht in der Schweiz aufnehmen. Sein Langwellensignal war zu schwach. Somit blieb diese Verbindung eine einseitige. Ob sie je nur mit Amateurmitteln, also ohne Sendemasten von altgedienten Mittelwellensendern, zu schaffen sein wird, ist fraglich.
Lange Zeit betrachtete ich die lange Welle als eine recht stabile Angelegenheit. Das ist sicher auch richtig, was die Bodenwelle anbelangt. Doch nachts, wenn die Ionosphäre mitspielt, variieren die Bedingungen. Sonnenstürme beeinträchtigen auch die Langwellenverbindungen. Aber sie können sie auch verbessern. Gerade nach einem Sonnensturm habe ich häufig stärkere Signale beobachten können. Das könnte auch bei unserer Verbindung mit Japan eine Rolle gespielt haben – in die eine oder andere Richtung.
Bei den Crossbandverbindungen, die wir mit europäischen Stationen getätigt haben, spielte uns das Funkwetter übrigens auch ein paar Streiche. Allerdings nicht auf Langwelle. Einige Stationen konnten nicht verstehen, dass sie unser Langwellensignal gut hören und wir aber ihr Signal auf 7MHz nicht aufnehmen konnten. Die lange Welle kennt eben keine tote Zone.
Insgesamt haben wir auf Langwelle mehr als fünfzig Stationen in fünfzehn Ländern kontaktiert. Das scheint wenig, angesichts der Superantenne, die wir zur Verfügung hatten. Aber es ist viel, wenn man die Verhältnisse im 136kHz-Band kennt. Viele Amateure aus der Anfangszeit der langen Wellen sind auf 500 kHz oder gar auf 9 kHz abgewandert und leisten dort nun Pionierarbeit. Leider stehen uns diese Bänder in der Schweiz nicht zur Verfügung. Schade, denn ich denke, dass der Amateurfunk in erster Linie als Experimentalfunkdienst gedacht war, und weniger als eine Spielwiese für Legofunker.
Andererseits hatte es auch sein Gutes, dass wir uns auf 136 kHz konzentrieren mussten. Wir konnten so weitere wertvolle Erfahrungen sammeln, ohne uns zu verzetteln. Jeder von uns Operateuren, die an der Langwellenstation Nächte lang ausgeharrt haben, kam zum Schluss noch zu seinem persönlichen kleinen Erfolgserlebnis. Wir konnten nämlich alle drei, HB9DUL, HB9CGL und HB9ASB, Sottens von zuhause aus auf Langwelle kontaktieren. Mit einem kleinen 10Watt-Sender, der unter uns die Runde machte, provisorischen Antennen und natürlich in klassischem CW.
73 de Anton
PS. Es ist Mittwochabend und während ich diese Zeilen zuhause schreibe, beobachte ich das Signal von HE3OM auf dem Grabber von DF6NM in Nürnberg. Iacopo, HB9DUL, ist gerade daran, eine Funkverbindung mit Weissrussland abzuwickeln. Eine weitere Erstverbindung (Grabber = Web-SDR für QRSS-Signale).
Bild: Das Signal von HE3OM bei W1VD in Burlington CT

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