Donnerstag, 1. Dezember 2022

Hütet euch vor dem "Blindenstock"

 


Als Blindenstock wird im Amateurfunk eine vertikale VHF/UHF-Rundstrahlantenne bezeichnet. Denn diese sind meistens weiss. Oben im Bild ist ein ganzer Pulk von Blindenstöcken zu sehen, die sich einen Mast teilen.

Oft ist die Antenne für zwei oder gar drei Bänder ausgelegt und damit das klappt, enthält sie zusätzliche Spulen und Kondensatoren. Der Blindenstock ist ein vertikal polarisierter Rundstrahler. Gegenüber einem idealen Kugelstrahler - den es in Wirklichkeit nicht gibt - weist er ein paar dB Gewinn auf. dBi genannt. Ein vertikaler Halbwellendipol hat 2.15dBi.  Längere Antennen bündeln in der Vertikalen besser und können u.U. mit einem kleinen Zusatzgewinn gegenüber einem vertikalen Halbwellendipol aufwarten. Zumindest auf dem Papier.

Der Blindenstock des Funkamateurs hat einen Vorteil: Er strahlt in alle Richtungen. Doch er hat auch einen Nachteil: er strahlt in alle Richtungen. Seine Stärke ist also gleichzeitig sein grösstes Handicap. Er hat dazu noch zwei weitere Nachteile: Mit seiner weissen Farbe ist er auch für den dümmsten aller Nachbarn sofort als Antenne erkennbar und er kann horizontal polarisierte Signale sehr schlecht aufnehmen. Bis zu 20dB weniger stark - das ist der Unterschied zwischen einem 1 Watt und einem 100 Watt Sender. Die vertikale Polarisation wurde übrigens wegen dem Mobilfunk eingeführt. Gegenüber der horizontalen Polarisation hat sie im VHF-Bereich eher Nachteile als Vorteile (z.B. höhere Absorption durch im Wald).

Doch zurück zu der Rundstrahl-Charakteristik des Blindenstocks. Wenn man rundum mit allen erreichbaren Stationen funken und alle Signale gleich gut empfangen möchte, ist der weisse Stängel scheinbar eine ideale Lösung.  

Doch so ein Rundumstrahler sendet nicht nur in alle Richtungen, er empfängt auch aus allen Richtungen. Bei immer mehr Elektrosmog rund um uns herum ist das ein Nachteil. Gerade in FM merkt man oft nicht, wie der Störpegel im Laufe der Zeit langsam ansteigt. Schwache Stationen kommen nur noch mit Prasseln rein oder sind gar nicht mehr hörbar. Ein weiteres Problem des Rundumempfangs ist die Mehrwegausbreitung der VHF/UHF-Signale. Treffen die Signale einer Station aus verschiedenen Richtungen auf die Empfangsantenne führt das zu Modulationsverzerrungen - im Extremfall bis zur Unverständlichkeit.

Das ist im ebenen Land selten, im Gebirge häufig der Fall. Die Signale kommen oft nicht auf direktem Weg zur Antenne, weil keine Sichtverbindung existiert, sondern via Reflexionen an Hügel- und Berghängen. Manchmal aber auch über Diffraktion (Beugung) an Hügelzügen oder Felskanten.  

Anstelle des Rundstrahlers ist es oft besser, eine kleine Yagi vertikal in der Vorzugsrichtung zu montieren. Störpegel und Modulationsverzerrungen nehmen dann oft ab. In den meisten Fällen genügt eine kleine Yagi mit 3 oder 4 Elementen und einer Boomlänge von maximal 1.5m. Die Antenne sollte für Vormastmontage ausgelegt sein, um eine Behinderung der Abstrahlung durch den Mast zu vermeiden. Gerade wenn man in einer Hanglage wohnt, ergibt ein Blindenstock wenig Sinn. Die VHF/UHF-Wellen klettern hinter dem Haus nicht den Berg hinauf um Stationen auf der anderen Seite des Hügels zu erreichen. Meist erfolgt die Verbindung über eine Reflexion. Wenn man seinen wichtigsten Reflexionspunkt herausgefunden hat, kann man die Yagi darauf ausrichten. Bei mir ist das für das 70cm Band zum Beispiel der Dent de Broc, eine Felswand im Süden. An meinem alten QTH im Schweizer Mittelland war das der Chasseral und im vorletzten das Jungfrau-Massiv der Berner Alpen oder auch das Stockhorn.

Probieren geht zwar über studieren. Trotzdem empfiehlt es sich mit einem Ausbreitungsprogramm zu "spielen" wie zum Beispiel dem hier. So sieht die Karte für meinen Standort aus:


Berechnet mit 100W im 2m Band mit 12dBi Yagi meinerseits Richtung Stadt Bern. Als Empfangsantenne habe ich einen vertikalen Halbwellendipol eingegeben. 

Das Programm von VE2DBE ist ein guter Indikator, aber keine perfekte Simulation. Darum ergeben sich in der Wirklichkeit allerhand positive und leider auch negative Überraschungen. Doch darüber mehr in meinem nächsten Blogeintrag.

Amateurfunk ist Experimentalfunk. Anstatt den Blindenstock mal eine Yagi zu probieren, ist ein interessanter Versuch. Und für den handwerklich Begabten auch ein lohnenswertes Bastelprojekt.



     

4 Kommentare:

  1. Der Link geht nicht.
    Dl9nbx

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  2. Danke und vy 73 de Anton

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  3. Auch wenn der "Blindenstock" in weiß auffällig ist, eine mehrelementige Yagi ist ganz sicher auffälliger! ;-) Deswegen habe ich die Diamond-Antenne einfach schwarz lackiert und dadurch den Strahlemann-Effekt deutlich reduziert.
    Alle Vor- und Nachteile dieser Antennen muss man abhängig von der eigenen Situation bewerten und dann eine Entscheidung treffen. Bei mir wäre der Aufbau einer Yagi einfach nicht möglich.
    Gruß Stefan

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  4. Tschou Toni. In letzter Zeit beobachte ich, dass Antennenhersteller ihre Gewinnangaben in dBi (Isotrop) angeben. Ich denke, Gewinnangaben sollten eher in dBD (Dipol) sein, da am Standort kein idealisierter Zustand ist. 73 de Herby++

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