Sonntag, 9. Dezember 2018

Monopoly



"Befreie deinen Geist, der nichts anderes tut, als im Kreis zu gehen und sich selber schon tausendmal begegnet ist."

"Was muss ich dazu tun?"

"Stehenbleiben, einfach nur stehenbleiben."

"Du hast gut reden, Armin. Du kennst meine Träume nicht und du hast noch nie für Marconi im Vallée de Trient auf Tannen klettern müssen."

Bei Putins eigenartigem Konzert im Korridor war ich in Ohnmacht gefallen und lag nun auf Armins Bett. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Die Welt schien sich verschoben zu haben.

"Irgend etwas stimmt nicht mehr. Bemerkst du das auch?", fragte ich ihn.

"Woran erkennst du das? Hier in der Anstalt ist doch alles normal wie immer." Er blickte mir forschend in die Augen.

Ich drehte den Kopf und blickte zum Fenster. Draussen riss ein Sturm die letzten dürren Blätter von den Bäumen. Regen trommelte gegen die Scheiben und ich vermeinte darin den Rhythmus von Morsezeichen zu vernehmen. Auf dem Pult vor dem Fenster lag eine gelbe Warnweste.

"Ach die!", sagte er, als er meinen Blick bemerkte. "Damit zeige ich meine Solidarität mit den Menschen außerhalb der Anstalt."

"Dann ist doch etwas faul dort draussen."

"Die Welt ausserhalb der Anstalt dreht sich immer schneller. Die Menschen verlieren die Bodenhaftung und werden durch die Zentrifugalkraft weggeschleudert. Je weiter weg vom Zentrum, desto schlimmer. Zuerst erwischt es die Menschen am Rande - die Randständigen. Später kommen die Mittelständigen dran. Am Ende bleiben nur die, die dem Zentrum am nächsten stehen."

"So wie beim Teufelsrad am Oktoberfest in München?

"Genau. Die, die am Schluss noch übrig bleibt, hat gewonnen. Es ist immer das gleiche Prinzip."

"Und dann? Was passiert am Ende?"

"Beim Teufelsrad ist es einfach. Es hält an und ein neues Spiel kann beginnen. Bei dem Spiel auf der Weltscheibe fliegt irgendwann die ganze Chose auseinander. Aus dem daraus entstehenden Chaos wird dann ein neues Spiel gestartet."

"Du reduzierst die Welt auf ein Spiel auf einer Scheibe? Unsere Welt ist doch viel komplexer!"

"Für viele Menschen ist das Leben ein Spiel und die Welt ein Casino. Wer am Ende am meisten hat, ist Sieger. Am meisten Macht, am meisten Geld. Die beiden Dinge sind untrennbar miteinander verbunden. Zwar gibt es im Keller des Casinos noch ein paar Kellerräume, in denen anders gespielt wird. In einem davon geht es vordergründig nicht um Macht und Geld, sondern um Moral. Ein sehr flüchtiger Wert."

"Du bist verrückt!"

"Na klar. Darum bin ich auch hier und du noch dort draußen." Armin deutete auf das Fenster.

"Ist denn das Ende wirklich unvermeidlich? Man könnte doch die Umdrehungsgeschwindigkeit verringern. Dann könnten alle auf der Scheibe bleiben und es würde keinen wegspicken."

Armin kicherte.
"Das geht nicht. Eine stetige Erhöhung der Umdrehungsgeschwindigkeit ist systeminhärent. Wird gebremst, bricht die Achse. Die Gescheiteren unter den Politikern wissen das. Darum sprechen sie auch davon, dass man die "Menschen mitnehmen" müsse. Sie wissen: wenn es zuviele wegspickt, ist das Spiel zu Ende, und ob sie dann Sieger sein werden, ist fraglich. Aber ob dumm oder gescheit, alle klammern sich an das Zentrum, an die Achse der Macht."

"Wird ihnen dabei nicht schwindelig?"

"Natürlich. Darum schwindeln auch die meisten. Es gibt nur wenige, die ohne Schwindel über die Runden kommen."

"Du hast seltsame Ansichten, Armin. Mhm...die Welt als Casino auf einer Scheibe...was wird denn in diesem Casino gespielt? Blackjack, Roulette, oder hebeln alle einfach an den Spielautomaten rum."

"Monopoly natürlich."

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