Mittwoch, 12. Dezember 2018

Brand im Stockcorner JC4



Bei meinem letzten Besuch in der Anstalt entdeckte ich ein weiteres Geheimnis dieses "Etablissements": Die Anstalt ist auch eine Reparaturwerkstätte - zumindest Armins Zimmer.
Als ich eintrat, sass er über einen grauen Kasten gebeugt und schimpfte mit ihm.
Ich setzte mich in den Besuchersessel und versuchte aus seinen Worten schlau zu werden.

"Was haben die sich dabei gedacht", empörte er sich. "gewöhnliche Polyesterkondensatoren um Hochfrequenzstrom zu leiten. Bauen einen Tuner und haben keine Ahnung von Antennen. Bauen Polyesterkondensatoren ein, um Kosten zu sparen! Dabei fließt dort zumindest ein Teil des Antennenstroms. Die haben Schwein, dass es Mantelwellenströme gibt...tztz."

"Was ist das für ein Gerät? Ist das deins und was ist mit ihm?" Fragte ich, als er seine Schimpftirade unterbrach, um Atem zu holen.

Überrascht wandte er sich zu mir. Zwar hatte er auf mein Klopfen "Herein" gerufen, mich aber anscheinend sofort wieder vergessen.
Armin seufzte, nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und erklärte dann:

"Das ist ein automatischer Antennentuner, den ich von einem Funkfreund bekommen habe. Ich soll ihn reparieren."

"Dann ist er also kaputt", stellte ich unnötigerweise fest.

"Nein, er funktioniert noch. Aber er stinkt und ein paar Bauteile sind karbonisiert. Ebenfalls ein Teil der Leiterplatte. Vermutlich hat er gebrannt, bis der Sauerstoff im dicht geschlossenen Gehäuse aufgebraucht war."

"Gebrannt und teilweise zerstört und trotzdem noch funktionstüchtig. Das musst du mir erklären."

Armin drehte sich zu mir und zeigte mir die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Bauteile und das Loch in der Leiterplatte.

"Bei elektronischen Geräten ist es wie beim Menschen. Gewisse Dinge kann man entfernen ohne dass er aufhört zu funktionieren. Zum Beispiel den Blinddarm. Andere Dinge kann man zwar entfernen, aber man muss mit einer verminderten Funktion rechnen. Zum Beispiel die Gallenblase.
Genauso ein Fall habe ich hier. Der Tuner geht noch, doch der Erdanschluss für das Gegengewicht ist komplett im Eimer."

"Das ist schlimm", konstatierte ich. Denn in der Zwischenzeit wusste ich, dass der Strom auch ins Gegengewicht fliessen muss, damit die Antenne richtig funktionieren kann.
"Ein Wunder, dass er trotzdem einigermaßen funktioniert hat."

"Das ist kein Wunder. Anstelle des Erde hat der Tuner den Mantel des Koax als Gegengewicht benutzt. Die Entwickler dieses Tuners haben nämlich die Abschirmung des Kabelanschlusses direkt auf die Geräte-Erde gelegt, den eigentlichen Erdanschluss aber nicht. Dieser wurde mit zwei Kondensatoren mit dem Gerätechassis verbunden. Die Gedankengänge der Ingenieure kann man manchmal auch in einer Anstalt nicht nachvollziehen."

"Und diese Kondensatoren sind verbrannt. Aber wieso waren es zwei und nicht einer?"

"Weil die Ingenieure ein schlechtes Gewissen hatten. Denn sie haben billige Polyesterkondensatoren benutzt, die nicht für Hochfrequenz geeignet sind. Darum schalteten sie zwei parallel um mindestens den Strom aufzuteilen. Und weil ihr Gewissen noch nicht ganz beruhigt war und sie statische Aufladungen der Antenne fürchteten, haben sie dazu noch einen 10 KiloOhm Widerstand parallel geschaltet."

"Aha...und der wurde auch karbonisiert?"

"Ja, sozusagen als Kollateralschaden."

"Und wie reparierst du dieses Desaster?"

Armin nahm den offenen grauen Kasten vom Tisch und hielt ihn mir unter die Nase.
"Ist schon geschehen, ich habe anstelle der verbrannten Polyesterkondensatoren zwei gleichwertige 10nF Glimmerkondensatoren eingesetzt. Die halten den HF-Strom aus."

"Aber wieso hat der Tuner eine zeitlang funktioniert und ist dann plötzlich gestorben?"

"Das wissen die Götter. Ich bin kein Kriminologe. Aber ich bin froh, dass es diesmal nicht ein Relais oder einen Abstimmkondensator erwischt hat."

Bild: der reparierte Stockcorner Tuner.

Weitere Infos:
Datenblatt Polyesterkondensatoren
Stockcorner Automatik-Tuner JC4s
Berichte zu diesem Tuner, hier und hier und auch da 

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