Dienstag, 9. Oktober 2018

Aethergeflüster



Ich habe es geschafft, mein Präsident Jackson funktioniert. Google sei Dank. Ich denke, Google weiss mehr als Bienchen. Allerdings muss man aufpassen wegen der Fake News. Davor wird ja gewarnt. Vor allem in den Zeitungen, und die müssen es ja wissen.

Es ist spannend und verwirrend zugleich, den Gesprächen zu lauschen, die aus dem kleinen Lautsprecher des Präsidenten dringen. Noch habe ich mit niemandem gesprochen, zuerst will ich mit Zuhören lernen. Das mag vielleicht seltsam scheinen, denn in der Schule habe ich nie zugehört. Ich sass in der hintersten Reihe am Fenster, träumte und schaute den Vögeln und den Wolken zu. Das war interessanter als die Geschichte von Leuten, die schon längst tot sind und anderes nutzloses Zeug. Lesen und Schreiben habe ich trotzdem gelernt. Vor allem Lesen. Ich habe alle Bücher von Karl May gelesen und Perry Rhodan von Band 1 weg.
Ja, so ein Fensterplatz hat viele Vorteile. Man sieht Dinge, die den anderen entgehen. Nicht zuletzt den Lehrern, denn die gucken nur auf die Wandtafel und die Schüler.
Ich habe in meinem Leben immer geschaut, dass ich einen Fensterplatz kriege. Im Auto habe ich den sowieso, aber auch im Zug und im Flugzeug sass ich meistens am Fenster.

Doch zurück zu meinem Präsident Jackson. Eigentlich heisst es nicht Präsident, sondern President, denn der Jedermannfunk kommt aus Amerika. Dort heißt er übrigens CB radio: Citizen band radio. Das Jackson ist ja schon ein altes Gerät, den dieser Präsident ist vermutlich schon längst tot. Doch um das genau zu wissen, hätte ich in Geschichte besser aufpassen müssen. Wenn ich mal Geld übrig habe, werde ich mir vielleicht mal das neuste Gerät kaufen. Es wird sicher President Trump heissen.
Aber von Politik verstehe ich nichts. Ich weiss nicht einmal, ob ich links oder rechts bin. Darum macht es mir auch nichts aus, mit einem alten Präsidenten-Gerät zu funken.

Vergangene Nacht ist mir vor allem ein Funker aufgefallen. Er nannte sich Charlie Tango und er ist offenbar ein richtiger Crack. Es gab nichts, über das er nicht Bescheid gewusst hätte.

"Meine Antenne ist eine Dreiachtel", sagte ein anderen Funker zu ihm, der sich als Delta Oskar ausgab.
"Du meinst sicher Dreiviertel", entgegnete Charlie Tango.
"Nein, es ist eine echte Dreiachtel, die braucht nämlich keine Radiale."

Ich staunte und bedauerte zugleich, dass ich in der Schule im Bruchrechnen nicht aufgepasst hatte. Aber auch in Geometrie war ich schwach und wo die Radiale genau im Kreis saßen, wusste ich nicht mehr. Ob wir damals mit dem Zirkel Radiale konstruiert hatten?

"Radiale braucht es immer", meinte Charlie Tango.
"Was weisst du schon von Antennen, ich habe schließlich die Amateurfunkprüfung gemacht", entgegnete Delta Oskar, und man hörte deutlich den Stolz in seiner Stimme, als er hinzufügte: "Ich bin staatlich geprüfter Funkamateur."

Ich traute meinen Ohren nicht. Ein staatlicher Funker! Eine Art Guglielmo Marconi. Das war sensationnel. Wir hatten im Traum zwar nie darüber gesprochen, aber ich denke, dass auch Marconi ein staatlich geprüfter Funker war. Doch Charly Tango ließ sich davon nicht beeindrucken:
"Wenn du Funkamateur bist, wieso machst du dann CB?", fragte er. Dann stritten sie sich weiter über Bruchteile von Antennen.


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