Montag, 19. Dezember 2022

Diamond RH-770 - das Original und die Kopie



Es gibt kaum ein Produkt, das in China nicht kopiert wird. fleissigen Leute aus dem Land des Lächelns sind Meisterkopierer. Doch die Kopien sind nicht per se schlecht. Manche sind sogar besser als das Original.
Neben Kopien gibt es auf den einschlägigen Internet-Portalen, wie z.B. Aliexpress und Ebay, natürlich auch Fake-Produkte, Ausschussware und umetikettierter Schwindel. Doch das ist ein Thema für ein anderes Mal. 
Heute geht es um die allseits beliebte Teleskopantenne RH-770 für Handfunkgeräte vom japanischen Hersteller Diamond Antennas. Etwas weniger weit östlich kann man sie natürlich auch als Kopie kaufen. 
Das Original arbeitet im 2m Band als Halbwellenstrahler und ist daher sehr effektiv. Denn im Gegensatz zu Viertelwellenstäben und den noch kürzeren Gummistummeln braucht ein Halbwellenstrahler kein gutes Gegengewicht. Das im Fall der Handfunke aus dem Funkgerät und dem Körper des Operateurs besteht. 
Im 70cm Band sieht es etwas anders aus: da arbeitet die RH-770 als gestockte 5/8 Antenne.

Damit es den Insassen der Anstalt nicht langweilig wird, haben wir kürzlich eine Kopie der RH-770 in China bestellt. Das Original kostet bei WIMO 40 Euro, in der Schweiz, wo alles teurer ist, gar 50 Franken. Die Kopie aus China kostet ca. 10 Franken, free Shipping. Ein eklatanter Unterschied. Doch ist die Kopie so gut wie das Original?

Auf den ersten Blick sind die Unterschiede marginal, wie man auf dem nächsten Bild sehen kann. Links die Kopie, rechts das Original:
 
 

Die Kopie ist im eingeschobenen Zustand ca. einen Zentimeter länger als das Original. Voll ausgefahren sind beide gleich lang: 93cm.
Den ersten grösseren Unterschied bemerkt man beim Gewicht. Beim Original zeigte die Briefwage 91g, die Kopie war mit 61g wesentlich leichter. Das wäre ein Vorteil, hat doch ein langer Stängel auf dem Handsprechgerät eine ziemliche Hebelwirkung. Zu heftiges Herumfuchteln tut der Antennenbuchse nicht gut.  Ich spielte bereits mit dem Gedanken, in Zukunft die Kopie auf meinen Wanderungen mitzunehmen und das Original zuhause zu lassen. Zumal auch die Kopie robust wirkt.

Doch wie sieht es mit den elektrischen Eigenschaften aus?

Bei der Resonanzfrequenz im 2m Band sind beide Antennen ähnlich. Das Original von Diamond ist bei ca. 146.5 MHz resonant. Also ganz auf das 2m Band in den USA zugeschnitten, das dort von 144 bis 148 MHz reicht. Das SWR beträgt auf dieser Frequenz 1:1 und auf 145 MHz liegt es immer noch bei 1:1.35. Das Stehwellenverhältnis schwankt natürlich, je nachdem wie man die Handfunke hält. Doch sollte man das nicht überbewerten, denn die Antenne sitzt ja praktisch auf dem Ausgangsfilter der Endstufe. Dazwischen gibt es kein verlustbehaftetes Koaxialkabel. Zudem sind gute Handfunken so gebaut, dass sie bei schlechtem SWR nicht kaputt gehen. Dazu gibt es einen einfachen Test: Antenne wegschrauben und volle Pulle senden. Wenn Handy kaputt, Handy nix gut und Händler zurückbringen.

Auch die Kopie schnitt im 2m Band gut ab. Die Resonanzfrequenz haben wir übrigens mit dem RigExpert AA-600 als Handyersatz gemessen. Bei der Kopie lag sie etwas über dem 2m Band bei ca. 148.9 MHz, ebenfalls mit einem SWR von 1:1. Bei 145 MHz gemessen lag das SWR deshalb etwas höher, bei 1:1.6. Das ist noch akzeptabel.

Doch das Stehwellenverhältnis allein sagt nichts aus über die wirklich abgestrahlte Leistung, wie wir alle wissen. Ein Dummy-Load hat zwar ein perfektes SWR, strahlt aber nicht.
Also haben wir den Spektrum-Analysator, einen Anritsu MS2721B mit einer kleinen Sonde als Feldstärke-Messgerät benutzt. Und tatsächlich: beide Antennen strahlten im 2m Band gleich gut. Der Unterschied war mit unserem Messaufbau nicht feststellbar. Er lag im Bereich von ein paar Zehntel dB und ist deshalb in der Praxis irrelevant. Beide Antennen - Original und Klon - sind im 2m Band gleich gut.

Doch die RH-770 ist eine 2-Band Antenne. Gibt es wenigstens im 70cm Band einen Unterschied? Aufgrund des 2m Resultats erwarteten wir keinen. Die SWR-Messungen mit dem AA-770 bestätigten diese Annahme. Die Resonanzen lagen bei beiden Antennen innerhalb des 70cm Bandes. Beim Original bei ca. 434 MHz, bei der Kopie bei 431.4 MHz.
 
"Wieso also das Original kaufen, wenn die Kopie genau gleich gut ist?", fragten sich die Insassen.

Zum Schluss kam dann noch der Feldstärke-Verleich im 70cm Band. Auf 435 MHz.
Doch die Messungen wollten keinen Sinn ergeben. Hatten wir etwas falsch gemacht? Wir wissen ja alle: "Wer misst, misst Mist." Stimmte gar etwas mit dem Handy nicht, das wir als Sender benutzten und immer an der gleichen Stelle in meiner Hand platzierten? Übrigens ein Yaesu FT-70D. Ein bewährtes und zuverlässiges Gerät. 
Doch wir konnten messen wie wir wollten. Die Kopie brachte ganze 14dB weniger auf die Anzeige als das Original. Das ist jenseits von Gut und Böse und kaum zu glauben. Vielleicht lag es an der Hand der Testperson oder die Original-Antenne von Diamond hatte irgendeinen techno-magischen Trick, um Originale von Kopien zu unterscheiden? 
So schlossen wir die Antennen nochmals an den AA-600 an, um die Stehwellenkurven anzusehen und auch die Impedanz, die Reaktanz und den Realwert zu kontrollieren. So sieht das beim Original aus:


Die Original-Antenne ist bereits ziemlich breitbandig, doch die Messung der Kopie brachte eine erschreckend flache SWR-Kurve ans Licht:

     

  Erweitert man den Messbereich noch weiter, treten über 500 MHz weitere Resonanzen zu Tage. Was hat das zu bedeuten? Steckt eventuell gar ein Widerstand zur "Anpassung" in der Antenne?
Darauf konnte nur die Eisensäge eine Antwort liefern. Also ab in den Schraubstock zur grossen Zerlegung. 
Als erstes wollten wir wissen, was im schwarzen Mittelteil der Antenne zu finden ist. Im Original ist dort eine Spule, wie sie übrigens auch die Mobil-Version der RH-770, die NR-770 ganz offen zeigt. Doch in der Kopie war gar nix. Der schwarze Kunststoff Knubbel tarnte bloss die Tatsache, dass der Teleskopteil ohne Unterbruch hindurchführt. Ein simpler Beschiss. Da sind keine 2 mal 5/8 gestockt in der Antenne mit einer Spule als Phasenschieber und zur Verlängerung. Im 70cm Band ist der Klon etwa in der Nähe eines 5/4 Strahlers. Also einer Antenne mit einem Richtdiagramm in Kleeblatt-Form, wo die Strahlung bei senkrechter Antenne ca. 48 Grad nach oben geht. Daher hat die Feldstärkemessung vermutlich die enorme Diskrepanz von 14dB gezeigt. Die Strahlcharakteristik ist eine ganz andere als die der Originalantenne. Wir hätten die Antenne kippen müssen, um eine höhere Feldstärke zu messen.
Leider ist das Teil jetzt zerstört und weitere Messungen sind daher unmöglich (Übrigens eine gute Ausrede, die sich Ingenieure merken sollten).

Im aufgesägten Sockel fanden wir dann endlich das, was drin sein sollte: Eine Anpassung an einen Halbwellenstrahler für das 2m Band mittels Spule mit Abgriff und einem (winzigen) Kondensator. 

Fazit: Im 2m Band strahlt die Kopie wie das Original, im 70cm Band zündet sie in den Himmel und ist keineswegs der flache Strahler, den man erwartet. Und ja...Geiz ist nicht immer geil.




5 Kommentare:

  1. Besten Dank Toni für den super Testbericht und Deine grosszügige Geste, dem zersägen Deiner Antennen für uns Leser! Da ist jetzt wirklich alles klar und es gibt keine Fragen mehr.

    73, Peter - HB9PJT

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  2. Hallo Anton,
    dein Versuch zeigt wieder deutlich, das fernöstliche Ware immer für eine Überraschung gut ist, manchmal positiv, oft negativ!
    Gruß Stefan, DL8SFZ

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  3. Danke für den ausführlichen Test

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  4. Ich lese mit grossem Vergnügen Deine Artikel, selbst wenn
    es um Themen geht, die meine Aktivität nicht betreffen. DANKE.

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  5. Vielen Dank. Wieder eine Erkenntnis reicher. Dank Deiner Sägearbeit.

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