Samstag, 27. April 2019
Genau und stabil
Jeder hat seinen Fetisch. Das ist nicht nur in der Anstalt so. Außerhalb ist es viel schlimmer.
Fetische sind unabhängig vom Bildungsniveau, werden aber mit dem Alter stärker. Gut zu beobachten ist das bei den Funkern.
Da entwickeln sich aus Fetischen schon mal Allergien. Zum Beispiel eine S-Meter Allergie. Oder eine CW-Allergie.
Ein besonderer Fetisch ist die Frequenzgenauigkeit. Abweichungen von einigen Hertz führen da schon zu verstärktem Herzklopfen.
So auch bei Armin. Da er in der Anstalt zuhause ist, vermutet er hinter jeder Frequenzabweichung eine Verschwörung. Kürzlich habe ich mit ihm darüber gesprochen:
"Wieso legst du so großen Wert auf Frequenzgenauigkeit", fragte ich ihn.
"Na hör mal, das ist doch so klar wie Kloßbrühe. Wenn ich mit jemandem auf 1296.220 abmache und er ruft mich auf 1296.222 dann verpassen wir uns. Ist doch logisch."
"Das sind doch bloß 2 kHz, daran kann es doch nicht liegen."
"Wenn die Signale sehr schwach sind und ich dann noch meine Antenne ausrichten muss, kann das durchaus ein Scheitern der Verbindung bedeuten. Denn mit der Antennenrichtung und der Frequenz habe ich zwei Variablen in der Gleichung. Wenn jetzt mit QSB noch eine dritte dazu kommt, ist der Ofen aus."
"Wer funkt denn schon auf 1296 MHz?"
"Die, die sich für hohe Frequenzen interessieren und das werden mit dem Erscheinen des ICOM IC-9700 in Zukunft sicher mehr werden."
"Der scheint ja nicht gerade ein Wunder von Frequenzgenauigkeit zu sein."
"Das ist leider nur eine Seite der Medaille. Die Frequenz mag wohl genau sein, kurz nachdem man einen Abgleich mit der Referenzfrequenz gemacht hat. Doch stabil ist sie nicht. Frequenzgenauigkeit und Frequenzstabilität sind zwei verschiedene Dinge. Oft werden sie verwechselt oder in die gleiche Schublade getan."
"Und der IC-9700 ist bei beiden schwach?"
"Er ist vor allem nicht stabil. Er wandert, wie jetzt auch ICOM DL zugeben musste."
"Da wird sicher bald eine Lösung gefunden werden. Aber was ist denn so schlimm an der mangelnden Stabilität?"
"Da muss man wieder unterscheiden: Es gibt die Langzeitstabilität und die Kurzzeitstabilität. Wenn die Frequenz über Stunden einige zehn Hertz wegdriftet, wie das bei alten Röhrenkisten der Fall ist, ist das nicht so schlimm."
"Weil die Drift bei mangelnder Kurzzeitstabilität grösser ist?"
"Nicht unbedingt. Kurzzeitige Schwankungen der Frequenz vertragen sich schlecht mit modernen digitalen Betriebsarten wie zum Beispiel JT65 oder WSPR."
"Und bei SSB und CW?"
"Heutzutage ist man es zwar nicht mehr gewohnt. Aber jaulende Telegrafie lässt sich noch sehr gut aufnehmen. Nur der Computer wirft dann die Flinte ins Korn. Ihm mangelt es bei sowas an künstlicher Intelligenz. Auch bei SSB hören nur Elfenohren kurzzeitige Schwankungen."
"Was ist denn noch tolerierbar?"
"Das kommt auf die Betriebsart an. Aber Schwankungen von mehr als 1Hz sind sicher nicht mehr Stand der Technik."
"Und wie ist es bei der Frequenzgenauigkeit. Was ist genau genug?"
"Das hängt von der Frequenz ab. Die Genauigkeit von Oszillatoren wir in ppm angegeben - ppm heißt Parts per Million. Eine Million Hertz sind bekanntlich ein Megahertz. 1 ppm Abweichung heißt daher 1 Hertz Abweichung bei einem MHz. Doch Vorsicht: bei 10 MHz sind es bereits 10 Hz und bei 100 MHz schon 100Hz...."
"....Wieso schreibt man eigentlich Hertz mit tz?"
"Weill sich der Heinrich Hertz mit tz schrieb. Aber du lenkst vom Thema ab. Wenn wir also einen Oszillator mit einer Genauigkeit von +/- 1 ppm haben, bedeutet das bei 1296 MHz im 23 cm Band bereits eine Genauigkeit von +/- 1296 Hz. Das ist um zwei Zehnerpotenzen ungenügend."
"Das sehe ich ein. Aber wie ist es bei der Stabilität der Oszillatoren? Du hast mir ja gerade erklärt das Genauigkeit und Stabilität zwei verschiedene Dinge sind..."
"...die oft miteinander Verknüpft sind. Bei der Stabilität ist es noch viel schlimmer. Stell dir einen Oszillator vor, der eine Stabilität von 1 ppm hat, wenn du diesen auf 10 GHz einsetzt!"
"Mhm...10 GHz sind 10'000 MHz. 1ppm wäre also 10'000 Hz, also 10 kHz."
"Richtig und völlig inakzeptabel. Ein solcher Oszillator ist als Referenzoszillator unbrauchbar."
"Icom spezifiziert die Stabilität des internen Oszillators beim IC-9700 über einen Temperaturbereich von -10 bis 60 Grad Celsius mit +/- 0.5ppm."
"Darum hat das Teil einen Eingang für eine Referenzfrequenz. Leider wird der interne Oszillator nicht durch die Referenz kontrolliert, sondern dient nur dem sporadischen, durch den OP initialisierten, Abgleich."
"Wieso haben die das so gemacht?"
"Das wissen die Götter. Kein vernünftiger Ingenieur würde sowas tun. Bei allen Geräten, die einen Referenzeingang haben, kontrolliert dieser dauerhaft den internen Oszillator."
Mein Name ist Anton und dies ist das letzte einer Reihe von Blogs, die ich in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben habe. Irgendwann kam beim Schreiben immer der Moment, wo ich das Gefühl bekam, es sei Zeit, zu neuen Horizonten aufzubrechen und etwas Neues anzufangen. Das war auch diesmal der Fall – im März 2023.
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