Auch meine betagte Mutter besitzt ein Natel (Handy, Cellphone). Wie viele G, ob 3, 4 oder gar 5 interessiert sie nicht. Sie möchte nur telefonieren.
Kürzlich bekam sie Post von der Swisscom: ihr altes Abo sei nicht mehr im Angebot und sie müsse sich für ein neues entscheiden.
Wir beschlossen darauf, zu Migros-Mobile zu wechseln und ich habe das ganze Prozedere Online in die Wege geleitet.
Wenn wir gewusst hätten, dass wir uns damit auf eine Odyssee durch eine seltsame neue Welt begeben, wären wir wohl bei Swisscom geblieben.
Zu Beginn unserer Reise schien alles den bekannten Abläufen zu entsprechen. Eine Bestätigung kam per Mail und der Wechsel wurde brieflich angekündigt. Dann kam ein eingeschriebener Brief mit der neuen SIM-Karte. Da meine Mutter nicht mehr von der Wohnung hinunter zum Briefkasten geht, lag im Kasten ein gelber Abholzettel. Ein typischer Fall für ihren Sohn.
Ich begab mich mit diesem Zettel zur Poststelle in Courtepin, und damit kam die Story in Fahrt.
"Ihre Mutter muss persönlich zur Abholung erscheinen", beschied mir die Frau am Schalter.
"Dazu ist sie nicht mehr in der Lage", entgegnete ich. "Aber ich bin ihr Sohn. Möchten Sie meinen Ausweis und die Vollmacht sehen."
"Nein, ich will Ihre Mutter sehen. Nur ihr darf ich den Brief geben."
Dann wedelte sie mit dem Couvert vor meine Gesicht rum und fragte: "Was ist denn da überhaupt drin?"
"Eine neue SIM-Karte für ihr Natel", entgegnete ich wahrheitsgemäß.
"Dann geht das gar nicht, ihre Mutter muss persönlich kommen."
In diesem Moment überlegte ich, ob ich nicht den Brief aus ihren Händen schnappen und davonrennen sollte. Doch dann tauchte eine Szene mit einer wilden Verfolgungsjagd und mit Polizeisirenen in meinem Innern auf, und ich ließ es bleiben. Dafür bin ich einfach zu alt.
"Das wird Konsequenzen haben", regte ich mich auf. Ungeachtet dessen, dass Aufregung für die Gesundheit schlecht ist. Und dann musterte ich mit ernstem Blick ihr Namensschild und blaffte:
"Ich möchte Ihren Chef sehen!"
"Das geht nicht."
"Wie heißt er und wo ist er?", insistierte ich, bemüht meine Contenance zu halten.
"Keine Ahnung, der sitzt irgendwo in Bern."
Ich war baff. Dass die Post derzeit etwas Probleme hat und deswegen Mac Kensey zu Rate zieht, war mir bekannt. Doch eine solche Organisationsform mit derart diffusen Strukturen war für mich neu.
"Den Brief bekommen Sie nicht. Ich werde eine Zweitzustellung veranlassen", erklärte die Frau.
"Das wird nichts nützen", bemerkte ich resigniert und zottelte ohne die SIM-Karte nach Hause.
So nahm das Drama seinen Lauf und trat in seinen zweiten Akt:
Der Postbote läutet zum zweiten Mal bei meiner Mutter Sturm. Das Glück war ihr hold, denn die Dame von der Spitex (Spital externe Betreuung) war bei ihr und so wurde der Postbote bis an die Tür meiner Mutter gelotst.
Doch das Glück währte nicht lange.
"Sie müssen sich ausweisen", verlangte der Postbote.
"Ich habe keine Identitätskarte, nur den Ausweis der Krankenkasse", entgegnete meine Mutter.
"Das geht nicht. Ich brauche einen Ausweis mit einem Foto von Ihnen", beharrte der Postbote und zog unverrichteter Dinge wieder ab.
Gut dass ich nicht dabei war, sonst hätte ich wohl in die Türkante gebissen.
Für mich ging die Story dann am Telefon weiter. Ich rief die Hotline von Migros Mobile an, und
begann die Story dem Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung zu erklären. Doch weit kam ich nicht. Die Post gehe ihn nichts an und was mir überhaupt einfalle, und überhaupt, wer ich denn sei. Er redete sich immer mehr in Rage. Mein Einwurf, ich würde nach einer Lösung suche, beachtete er nicht. Er begann gewissermaßen ein Selbstgespräch zu führen und wurde immer lauter. Das Gespräch beschränkte sich in der Folge nur noch darauf, dass wir uns gegenseitig beschuldigten, einander anzubrüllen. Zum Schluss sagte er, dass er sich das nicht gefallen lasse und hängte danach auf.
Ich bin sicher, dass die Tonbandaufnahme, sofern sie denn existiert, zukünftig für Schulungszwecke verwendet wird.
Wie dem auch sei, ich wählte sofort nochmals die Hotline und wie erhofft, meldete sich diesmal eine nette Dame, der ich das Problem mit der zurückgesandten SIM-Karte erklären konnte. Nach einem längeren Gespräch und den Beizug von "Experten" der Migros wurden wir uns einig, dass es nur eine Lösung gebe: den Abo-Wechsel von der Swisscom zur Migros zu canceln.
"Also bleiben wir einfach bei der Swisscom und schauen dafür, dass du ein neues Abo bekommst", erklärte ich meiner Mutter und griff erneut zum Telefon.
Diesmal wählte ich die Hotline der Swisscom und landete dort in der Warteschlaufe.
Da erinnerte ich mich daran, dass die heutige Generation am liebsten mit Bildern oder per Chat kommuniziert. Ich logte mich in das Kundenkonto meiner Mutter ein und fragte auf dem Chat nach Hilfe.
Die kam auch sofort und ich hatte Glück. Die Mitarbeiterin am anderen Ende der Tastatur begriff problemlos, dass da nicht die Mutter, sondern der Sohn chattete und überhaupt: sie erfasste das Problem innert kürzester Zeit. Eine clevere Frau. Die hätte ich auch angestellt, als ich noch eine Firma leitete.
Trotzdem konnte sie mir auch nicht helfen. Der Abowechsel sei immer noch im System und auf meine Bemerkung hin: das sei wohl eine "Lost in Transition Situation", meinte sie, ich solle einfach mal abwarten.
Zur Not habe ich ja selber eine ID mit Bildli und bekomme sicher eine SIM, die ich ins Handy meiner Mutter transferieren kann.
So warte ich und schaue mal was passiert. Erfahrungsgemäß lösen sich Probleme oft von selbst. Was an einem Freitagabend in der Firma noch zu hektischen Sitzungen führte, löste sich am Montag von alleine.
Allen eine wunderbare und ruhige Adventszeit.