Freitag, 29. Mai 2020

UKW im Alpental - Teil 1



In den nächsten Jahren plant die Direktion der Anstalt einen Umzug in die Berge. Das Klima sei dort für die Insassen besser, wird gemunkelt.
Für einen funkenden Insassen wäre diese Nachricht eine gute. Denkt man doch automatisch an einen SOTA-Gipfel oder Contest-Standort für VHF/UHF und Mikrowellen-Wettbewerbe.
Doch der Umzug auf einen Berggipfel ist nur ein schöner Traum. In den Alpen wohnt man nämlich gemeinhin im Tal. Mit Bergen rundherum.

Kurzwelle ist zwischen hohen Gipfeln zwar ein Problem für den Kurzwellen DX'er, der auf flache Abstrahlung setzt, um ferne Kontinente und rare Inseln zu erreichen. Aber für regionale und europäische KW-Verbindungen reicht ein Draht im nächsten Baum.

Doch wie sieht es für den Freund ultrakurzer Wellen aus, der nicht auf die Hilfe der Ionosphäre zählen kann?
Muss er immer auf den nächsten Gipfel kraxeln, wenn er mehr als ein paar Kilometer überbrücken will? Wie kann er mit seinen Freunden im 2m oder 70cm Band in Verbindung bleiben, die in der Stadt ennet dem Berg leben?
Bleibt da nur eine Relaisstation oder gar ein Satellit?

Um diese Fragen zu beantworten, habe ich den IC-9700 und einige Antennen zusammengepackt, mich im Schutze der Nacht aus der Anstalt geschlichen und für eine Weile in einem Tal einquartiert, das mir besonders gut gefällt. Es heißt Val de Charmey und liegt, wie der Name bereits vermuten lässt, im Französisch sprechenden Teil der Schweiz.
Da Funker nicht in Straßenkilometer denken, sondern in Luftlinie - auch wenn dazwischen Berge liegen - hier die entsprechenden Entfernungen zu den nächsten Städten: 
Fribourg, die Hauptstadt des gleichnamigen Kantons ist bloß 40 km entfernt, Lausanne und Bern ebenfalls. Genf am unteren Ende des Genfersees ist aber bereits gute 90 km und Zürich, das sich für die Hauptstadt der Schweiz hält, gar 130 km Luftlinie entfernt.

Kann man auf UKW diese Städte direkt erreichen? Vielleicht mit Reflexionen an Felswänden, mittels Diffraktion oder gar Troposcatter? Wie sieht es mit UKW Verbindungen ins benachbarte Ausland aus?

Im Tal angekommen, macht sich in der Seele des UKW-Funkers leichte Panik breit. Der Horizont ist hoch, die Gipfel, meist mit dem Vornamen "Dent" (Zahn) einschüchternd. Ein erster Griff zum Handy macht wenig Freude. Nur zwei Relaisstationen geben Lebenszeichen von sich. Dazwischen ist das Band totenstill. 

Talabwärts ist ein mächtiger Felsklotz zu sehen, der Moléson. 13km entfernt und 2000 Meter hoch. Wie könnte es anders sein: Natürlich ein SOTA-Gipfel. Bequem mit der Bergbahn erreichbar. Wird er der rettende Reflektor sein? Talaufwärts liegt der Jaunpass, der u.a. nach Gstaad führt, dort wo die Reichen und Schönen wohnen.

Ganz ahnungslos habe ich mich aber nicht nach Charmey aufgemacht. Da gibt es nämlich ein tolles Tool, das UKW Ausbreitungs-Prognosen erstellt. Es nennt sich Radio Mobile und interessierte Radioamateure können es kostenfrei benutzen. Es wurde von Roger Coudé VE2DEB erstellt und ich habe damit bereits gute Erfahrungen gemacht.

Hier nun die Prognose für einen 100 W Sender in Charmey, der auf 144 MHz mit einem 6dBi Rundstrahler sendet. Auch der Empfänger besitzt eine solche Antenne und beide haben angenommene Kabelverluste von 1dB.

Links unten ist Genf (Genève), rechts oben der Bodensee mit Friedrichshafen zu sehen.
In der hellblauen Fläche sollte die Signalstärke 0.5uV oder mehr betragen, in der grün gefärbten Fläche mehr als 2uV. Wie wir sehen, ist die Prognose für die terrestrische Ausbreitung nicht berauschend. Bern und Genf liegen in Reichweite, doch gegen Nordwesten wird es zappenduster. Auch Frankreich wird durch die Jura-Berge wirkungsvoll abgeschirmt. 

In meinem nächsten Blogeintrag werde ich über die ersten praktischen Erfahrungen berichten. Stay tuned! 


      
Erstes Bild: Talaufwärts sind die Zähne der "Gastlosen" zu sehen.

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