Samstag, 6. Februar 2021

Eine kurze Wanderung durch den Wald der Wunderantennen


Zu den beliebtesten Antennen gehört die Klasse der "Wunderantennen". Das Web ist voll davon und auch im neusten Rothammel sind viele davon aufgelistet. Das Antennenbuch der Amateure ist kein Blog und darum heissen diese Antennen dort "Kompaktantennen". Doch wer auf Seite 457 die Einführung zu den Kompaktantennen liest, der staunt. Die Antennen jenseits von Maxwells Gleichungen werden schonungslos zerlegt. 

Aber was ist eine "Wunderantenne?"

Natürlich eine, die ein Wunder verspricht. 

"Wunderantennen" sind Winzlinge, passen auf jeden Balkon und sind angeblich unheimlich wirkungsvoll. Sie sollen fast so gut sein wie ein ausgewachsener Dipol und in manchen Fällen sogar besser. Denn sie folgen eigenen physikalischen Gesetzen, die extra für sie erfunden wurden. Erstaunlich, dass noch keine Demonstrationen für oder gegen Wunderantennen stattgefunden haben. Denn gegen normale Antennen, die den maxwellschen Gleichungen unterliegen, wird durchaus demonstriert und sie sind auch Gegenstand von Verschwörungstheorien (5G). Nur bei Wunderantennen nicht. Seltsam.

Doch wieso gibt es überhaupt diese Wunderantennen? 

Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe:

1. Die meisten Funker in unserer verdichteten Gemeinschaft verfügen nicht über unbegrenzten Platz und sind durch allerlei Vorschriften eingeengt. Wunder-Transceiver kann man sich heutzutage leisten, fernöstlichen Bestückungs- und Lötrobotern sei Dank. Da ist es nur normal, dass auch dieses lästige Zubehör namens "Antenne" über Wundereigenschaften verfügen sollte. Nicht wahr?

2. Der Aether ist tolerant. Auch den verrücktesten Gebilden gelingt es, elektromagnetische Wellen abzusondern, solange nur ein Elektron in irgend einer Leiterstrecke beschleunigt wird. Eine Antenne zu bauen, die nicht strahlt, ist ein Kunststück. Ja, man könnte sagen: es wäre ein wahres Wunder.

Wunderantennen werden nicht wie herkömmliche Antennen gemessen, die Beurteilung ihrer Wirksamkeit erfolgt anekdotisch. Werden sie mit klassischen Antennen verglichen, hängen die Vergleichsexemplare niedriger oder sind anders polarisiert. Die anekdotische "Messung" hat einen entscheidenden Vorteil, der bei Wundern wichtig ist. Denn Wunder sind stochastische Prozesse und nicht beliebig reproduzierbar. 

Wie überall ist immer der Wunsch der Vater der Gedanken. Man glaubt, was einem in den Kram passt und im Notfall wird das Tor in den Schuss verlegt.  

Ein klassisches Beispiel einer Wunderantenne sind die so genannte EH-Antennen und ihre Varianten. Einer, der sich intensiv damit beschäftigt hat, ist M0ZRF. Er hat Vergleichsmessungen im 10m Band angestellt und zu diesem Zweck einen Kiwi-Empfänger in seinem Elternhaus installiert, das 3 Meilen entfernt von seinem QTH liegt. Also Vergleich via Grundwelle unter Ausschluss der Ionosphäre. Sein Fazit: EH-Antennen sind 6 bis 10 dB schlechter als herkömmliche Dipole und Vertikalantennen. Das ist nicht viel in Anbetracht ihrer Grösse und ich denke, das grenzt fast an ein Wunder. Allerdings konnte er das von den EH-Anhängern propagierte Funktionsprinzip nicht bestätigen. Er findet, dass diese Antennen so funktionieren, wie andere extrem verkürzte Antennen. Nämlich mit einer Verlängerungsspule und einer "dicken" Endkapazität". Und mit Hilfe des Speisekabels.

Zu dieser Kategorie gehört auch die Isotron Antenne. Es handelt sich bei ihr quasi um einen offenen Schwingkreis mit einer kräftigen Verlängerungskapazität und zwei Alublechen als Endkapazität. Früher hat man dazu Dachlast gesagt. Vielleicht sehen daher die Bleche aus wie ein Hausdach?  Im verlinkten Bericht sehen wir, wie die Beurteilung anekdotisch erfolgt. Einmalig und Hilfe von WSPR und ohne Referenzantenne. Natürlich bezweifle ich diese Resultate nicht. Leider sagen sie nichts aus. Auch mit meinem Blitzableiter kann ich nach Amerika whispern. 

Ein weiterer Kandidat ist die Microvert, der eine wundersame Wirkung nachgesagt wird. Varianten sind die Bierfassantenne und die Ofenrohrantenne. Anything goes.

Berühmtheit hat auch die Haarspray-Dosen-Antenne erlangt. Zu dieser Antennne heisst es: "Mit geringsten Kosten- und Arbeitsaufwand bekommt man mit dieser Antenne ein Exemplar, welches sich mit vielen anderen Antennen messen kann." Offen bleibt nur die Frage, ob man volle oder leere Spraydosen verwenden sollte.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass all diese und weitere Wunderantennen funktionieren. Allerdings nach den von Maxwell in seinen Gleichungen dargelegten Prinzip, wie jede Antenne. Und unter Zuhilfenahme der Speiseleitung, bzw. der Aussenfläche des Mantels des Koaxialkabels. Karl DJ5IL nimmt bezüglich der Microvert kein Blatt vor den Mund. Anstatt mit Anekdoten arbeitet Karl mit Fakten, wie es von einem Professor für Hochfrequenztechnik nicht anders zu erwarten ist. Karl erwähnt denn auch, dass das Koaxkabel den Hauptanteil an der Strahlungsleistung ausmacht.

Im Falle von Wunderantennen im Mobilbetrieb ist es natürlich nicht das Koaxialkabel, das einen wichtigen Teil der Antenne ausmacht, sondern die Karosserie des Fahrzeugs. Dieses Gegengewicht aus Stahlblech ist ja mit vier Gummis vom Boden isoliert.

All diese extrem kurzen Antennen gehen vom falschen Prinzip aus, dass die Fläche für die Abstrahlung der elektromagnetischen Strahlung bedeutend ist. Das ist falsch. Entscheidend ist die physische Länge des von Strom durchflossenen Leiters. Darum kann man ohne grosse Einbusse für einen KW-Dipol auch dünnen Klingeldraht nehmen, anstatt dicke Litze.

Bei all diesen Wunderantennen gibt es ausser dem schlechten Wirkungsgrad noch ein anderes Problem: Sie sind Einbandantennen. Eine Magnetantenne, die ebenfalls sehr klein ist, lässt sich über einen grossen Frequenzbereich abstimmen. Darum poppen die Magnetloops überall aus dem Antennenwald wie Pilze im Herbst. Zudem haben Magnetloops noch einen entscheidenden Vorteil: Es sind symmetrische, in sich geschlossene Systeme. Störungen der Haushaltelektronik durch vagabundierende HF wie z.B. bei Endfeed-Antennen sind dadurch weniger wahrscheinlich.

Zu EH-Antennen und Konsorten findet man auch bei Tom W8JI eine interessante Analyse.   



 



    


 

4 Kommentare:

  1. Hallo Anton,
    ich habe die Antenne von Arthur, DL7AHW in unterschiedlichsten Varianten gebaut und ein Funkfreund hat diese Antenne im Vergleich zu einem Dipol ausprobiert. Weder ich noch er konnten ein nennenswertes Strahlen des Kabels zwischen der Gleichlaufsperre und Antenne nachweisen! Es fällt auch auf, dass immer nur die reinen Theoretiker dieser Antenne diesen Umstand andichten und nie selber experimentieren.

    Und ja, die Dosenantenne ist ungefähr 10dB schwächer als ein Dipol oder eine entsprechende Vertikal. Das darf sie aber auch aufgrund der Größe. Dennoch ist es um so faszinierender, wenn man mit dieser Antenne und 100 Watt über 4000 km weit kommt. Bevor ich wegen Antennenverbot oder stark eingeschränkten Bedingungen gar nicht funken kann, sind diese Antenne durchaus eine Alternative.

    Gelobt sei jeder, der Drähte aufspannen kann wie er will, der auf der kurzen Seite seines Grund und Bodens eine Baverage-Antenne aufstellen kann und 15m-Masten keine Ablehnung finden. Die meisten Funkamateure sitzen jedoch in Wohngebieten, die das nicht zulassen. Auch die wollen betrieb machen. Ich kann nur einen 6,3m langen Vertikalstrahler mit Tuner im Speisepunkt betreiben und den auch mit Verlängerungsspule auf 80m. Ich werde nie über den Teich kommen in SSB, cw habe ich noch nicht probiert. Aber es macht auch so Spaß, mit zu mischen.

    Gruß
    Stefan

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    1. Stefan, wenn Du die Gleichlaufsperre bzw. Mantelwellensperre direkt bei der Antenne montierst, und die Antenne dann immer noch gleich funktioniert, hast Du den Beweis, dass das Kabel nicht strahlt.

      73, Peter - HB9PJT

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    2. Hallo Anton,
      Eine Leitung, die mit einer bestimmten Länge betrieben wird, muss nicht automatisch strahlen! Ich kann nur sagen, probiere es aus! Ich habe diese Leitung zwischen Gleichlaufsperre und Antenne fast frei aufgehängt und einmal über den größten Teil unter geerdeten Verwahrungen verlegt. Das Signal am Kiwiempfänger war beides mal annähernd gleich. Würde die Leitung wirklich einen erheblichen Teil an der Strahlung beteiligt gewesen sein, hätte sich dieses auf die Signalstärke auswirken müssen! Hat es aber nicht! Und einfach die Gleichlaufsperre von ihrem ursprünglichen Ort an die Antenne verlegen ist nicht das Selbe, denn sie hat ja an dem für sie vorgesehenen Platz eine Aufgabe, die man nicht einfach unterschlagen darf.
      Gegenfrage: Warum strahlt eine Hühnerleiter nicht? Sind doch zwei freie Leitungen? Übertrage diesen Gedanken in das Koax zwischen Gleichlaufsperre und Antenne. Dann bleibt nur eine Transformation übrig.
      Und nein, ich verherrliche die Antennen von Arthur nicht, ich habe auch meine Erfahrung damit gemacht und leugne ja auch nicht, dass sie schlechter gehen als andere Antennen. Aber ich habe es getestet mit viel Aufwand, die Leitung stahlt ganz sicher keinen nennenswerten Anteil der Gesamtstrahlungsleistung ab!

      Gruß Stefan

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  2. Hallo Anton, besten Dank für Deine interessanten und unterhaltsam geschriebenen Artikel. Macht immer wieder Spass die Themen mit Deinen fundierten Kommentaren zu lesen.

    Die Mobile Antenne in Deinem Link haben wir mal gemessen und im HBradio 5/2015 auf Seite 51 veröffentlicht. USKA Members können den Artikel hier herunterladen:
    https://www.uska.ch/download/hbradio-5-2015/?login=failed#

    73, Peter - HB9PJT

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