Nachdem das Militär im zweiten Weltkrieg die Kommunikation via NVIS entdeckt hatte, fand sie in allen nachfolgenden Konflikten Verwendung. Dort wo die Bodenwelle der Kurzwelle am Ende war, musste die Ionosphäre einspringen. Und das war in den tropischen Wäldern Südostasiens schon nach wenigen Kilometern der Fall. Auch VHF reichte in diesem Terrain nicht weit. Schon in unseren Breiten macht sich die Dämpfung durch den Wald deutlich bemerkbar. Insbesondere bei vertikaler Polarisation. Sind doch die Bäume auch vertikal "polarisiert". Doch die tropischen Dschungel mit ihrem dichten und immergrünen Blattwerk setzen den UKW-Wellen noch mehr zu.
Bei der Kurzwelle kommt in Äquator-Nähe ein hoher atmosphärische Störpegel hinzu , besonders während der Monsunzeit.
Über den Einsatz und die Technik von NVIS im Militärbereich gibt es viele Studien. Einige sind öffentlich zugängig - sofern man sie in der Tiefe des Internets aufstöbern kann. Das Rad ist also längst erfunden. Wer sich dafür interessiert, wird zum Beispiel im Archiv der NVIS Diskussionsgruppe von Groups.io fündig.
Für uns Funkamateure, die an NVIS interessiert sind - also an Kurzwellenkontakten über einige 10 bis einige 100km Entfernung - stehen vor allem zwei Fragen im Vordergrund:
1. Welche Frequenzen sind für NVIS geeignet?
2. Welche Antenne soll ich dafür bauen?
Eine Eigenschaft der Kurzwelle ist das Auftreten von toten Zonen. Das ist der Bereich, in dem kein Empfang der Bodenwelle mehr möglich ist und in dem auch die Raumwelle noch nicht die Empfangsantenne erreicht. Allgemein gilt: Je höher die Frequenz, desto grösser die tote Zone. Denn je höher die Frequenz, desto flacher muss die Sendeantenne in die Ionosphäre strahlen, damit noch eine Reflektion stattfindet. Je nach Breitengrad, Tages- und Jahreszeit und Sonnenaktivität variiert die Frequenz, unterhalb der keine tote Zone mehr auftritt. Sie liegt im besten Fall um die 10 MHz, im schlechtesten bei ca. 3 MHz. Damit ist klar, dass für Amateurfunk-NVIS hauptsächlich die Bänder 160, 80, 60 und 40m in Frage kommen. Wer jederzeit NVIS-Verbindungen herstellen möchte (Bespiel Notfunk), muss nicht nur in allen vier Bändern QRV sein, sondern auch den Zustand der Ionosphäre zeitnah überwachen. Zum Beispiel mit dem Beobachten einer Ionogramm-Sonde in der Nähe.
Bei der Antenne gilt grundsätzlich: jede horizontale Antenne weist einen Teil Steilstrahlung auf und ist deshalb NVIS fähig, sofern sie nicht höher als Lambda/4 hängt. Dazu gehören Inverted-L, Dipole und ihre Varianten und auch die Hy-End-Fed- Antenne.
Vertikalantennen sind Flachstrahler (DX) und deshalb für NVIS ungeeignet.
Doch wie hoch soll ich meinen Dipol aufhängen?
Auch dazu gibt es viele Studien gescheiter Leute. Aber ein Blick in den Rothammel genügt uns. Für beste NVIS-Strahlung sollte ein Dipol nicht höher hängen als Ein Viertel der Wellenlänge. Hängt der Dipol gar in einer halben Wellenlänge Höhe, mutiert er zu einem DX-Strahler und hat kaum mehr eine brauchbare Steilstrahlung. Zwischen Null und einer Viertel Wellenlänge gibt es immer Steilstrahlung. Allerdings: je näher am Boden, desto heftiger die zusätzlichen Verluste.
Hängt man einen Mehrbanddipol also in 10m Höhe auf, hat man eine gute NVIS-Antenne für das 80 und 40m Band. Hat man nur einen 10m Mast und spannt die Antenne als umgekehrtes V, büsst man ca. 3dB ein. Das ist meistens verkraftbar. Für das 160m Band sind 10m natürlich viel zu tief und das macht sich deutlich bemerkbar. Dort ist sie ein Notbehelf.
Inverted L-Antennen haben ihre Tücken. Ist der Horizontalteil zu kurz, <2/3 des Drahts, mutiert er zur Eier legenden Wollmilchsau. Und die gibt es bekanntlich nicht. Die Steilstrahlung geht zurück, die Flachstrahlung legt zu. Und da der L-Strahler kein Dipol ist, braucht er einen gutes Gegengewicht. Sonst muss man noch weitere dB abschreiben.
Fazit: Für SOTA, POTA und seriöse Prepper gehört also mindestens ein 10m Teleskopmast zur Grundausrüstung. Ausser man setzt auf DX. Dann ist eine Vertikal mit ein paar ausgelegten Radials eine gute Wahl. Ein guter Kompromiss für QRPer, mit dem man alle Elevationswinkel abdeckt, ist eine MagLoop. Aber nur für das 40m Band. Die meisten auf dem Markt angebotenen Portabel-Loops sind zu klein und zu inneffizient im 80m Band. Sie strahlen nur noch wenige Prozent der zugeführten HF in den Äther.
Bild: Der Moléson meinem QTH aus gesehen. SOTA-Berg der leicht zugänglichen Art.