Montag, 9. Januar 2023

Yaesu FTDX-10 aus der Sicht eines Praktikers

 

Gestern habe ich einen umfangreichen und detaillierten Erfahrungsbericht über den FTDX-10 von YAESU gelesen. VK4DX in Brisbane hat ihn am 5. Januar 2023 geschrieben, nachdem er den Transceiver ein Jahr lang ausprobiert hat. Ich kann den umfassenden Bericht jedem empfehlen, der an eine Anschaffung des FTDX-10 denkt.

Mike hat Anfang 2021 einen FTDX-10 gekauft und ihn dann während zehn Monaten anstelle seines Icom IC-7610 als seinen primären Stationstransceiver verwendet. Er hat ihn dabei nicht nur mit dem IC-7610 verglichen, was etwas unfair gewesen wäre, da dieser in einer anderen Kategorie "spielt", sondern auch mit dem IC-7300 von Icom.

Im Gegensatz zu den "Jubelberichten", die man manchmal auf Eham und in Yaesu-Foren lesen kann, scheint mir seine Analyse objektiver zu sein. 

Mike stellt in seinem Bericht die Benutzerfreundlichkeit und die Zuverlässigkeit des Geräts in den Vordergrund. 

Natürlich hat er auch viele andere Testberichte gelesen  und Videos zu dem FTD-10X gesehen. Sein Kommentar dazu: (Zitat)
"Allerdings basierte jeder Testbericht, auf den ich stieß, entweder auf Sherwoods hoher Bewertung des Empfängers dieses Funkgeräts, wie schön der Touchscreen ist oder auf dem Vergleich des Empfängers mit dem IC-7300 in einer meist irrelevanten Umgebung."

Mike ist nicht etwa ein Fan einer bestimmten Marke und hat bereits eine ganze Reihe Transceiver besessen. Unter anderen:
FT990, IC-706 MkIIG, IC-756pro II, TS590S, FTDX3000, FT891, IC-7300, FT991A und den IC-7610.

Er sagt, dass der FTDX-10 vom Dynamikbereich her natürlich besser sei, das gehe ja auch aus der legendären Sherwood-Liste hervor. Auch der Klang gefällt ihm besser. Wenn man nur darauf achten würde, sagt er, dann solle man dieses Gerät kaufen. Allerdings dürfe man keine Wunder erwarten. Im praktischen Betrieb könne man nicht erwarten, mit dem Yaesu Stationen zu hören, die man mit dem IC-7300 nicht hören könne.

In Rob Sherwoods Liste ist der FTDX10 auf Platz 3 aller Funkgeräte für seinen Dynamikbereich. Doch das ist nur ein einziger Aspekt eines Transceivers. Mike sagt dazu: (Zitat) "In der Praxis werden Sie kaum einen signifikanten Unterschied zwischen den 20-30 besten Geräten auf dieser Liste feststellen können. Die Unterschiede zwischen den Funkgeräten auf dieser Liste sind sehr gering."

Er schreibt, dass die Unterschiede punkto Empfindlichkeit und Selektivitäte der Transceiver in den letzten Jahren nur gering seien und nicht wie "Tag und Nacht".

Rob Sherwoods NC0B sagt dazu übrigens (Zitat): "Ich habe den IC-7300 in mindestens 8 Wettbewerben auf 160 und 10 Metern benutzt, und ich hatte nie das Gefühl, dass ich aufgrund der unzureichenden Leistung einen Kontakt verpasst habe."
Wer DXer oder Contester ist, sollte sich vielleicht Rob Sherwoods letztes You-Tube Video ansehen:


Doch zurück zum  FTDX-10:
Mike VK4DX gefallen bei diesem Gerät die folgenden Eigenschaften, die er beim IC-7300 vermisst:

- Das Audiopeak-Filter. Ein Feature, das ich als CW-Operateur übrigens auch zu schätzen weiss und in meinem IC-7700 gerne benutze, wenn es darum geht, Telegrafie Signale aus dem "Sumpf" der Mittel- und Grenzwellen-Bändern "zu ziehen". Ein wichtiges Feature für Low-Band-DXer, wie mir scheint.

- Ebenfalls für CW-Operateure sei das optional erhältlich 300 Hz Roofing-Filter von Nutzen.

- Auch die stufenlose Bandbreiten-Regelung mit Shift und Width sei bei Yaesu besser gelöst, schreibt Mike. 

- Natürlich sei, je nach Umgebung und Situation, auch die Störung durch starke Signale nicht so gross wie beim IC-7300. Das scheint mir persönlich ein sehr wichtiger Punkt. Beim IC-7300, als Direct Sampler ohne mitlaufende Vorselektion, leuchtet bei starken Signalen u.U. die Overflow Anzeige auf. Auch wenn die Stör-Signale ausserhalb des Amateurfunkbandes liegt. Der A/D-Wandler ist dann am Anschlag und der Empfänger produziert Geistersignale. Das habe ich an meinem letzten QTH, wo ich eine Langdraht-Antenne zur Verfügung hatte, immer wieder feststellen müssen. Ich hatte mir damals extra einen Preselektor für den IC-7300 gebaut. Heute, wo ich ausschliesslich mit Magnetloop-Antennen arbeite, habe ich dieses Problem nicht mehr. Eine Magloop ist ein ausgezeichnetes Filter.

Doch welche Nachteile hat aus der Sicht von VK4DX der FTDX-10? Es klingt hart, aber Mike ist da eindeutig: (Zitat)  "Was die Nachteile angeht, so gibt es eigentlich nur einen: Alles andere ist beim IC-7300 besser."

Mike bemängelt vor allem die Bedienung des Gerätes und zählt dazu viele Beispiel auf. Man erhält dabei den Eindruck, dass die Bedienung nicht richtig durchdacht sei. Etwas, das mir schon beim FT991 aufgefallen ist (Teil1, Teil2, Teil3). Doch viele dieser Punkte lassen sich sicher per Firmware-Update korrigieren. Einiges ist da schon geschehen, anderes wird hoffentlich in der nächsten Zeit bereinigt. Wie auch immer: Man erhält beim Durchlesen der bemängelten Punkte den Eindruck, dass das Gerät nicht fertig entwickelt ist. Mike schreibt denn auch: (Zitat):
"Ich glaube, dass dieses Funkgerät in aller Eile auf den Markt geworfen wurde, um einen Teil des Marktes zu erobern, den Icom mit dem Verkauf von Unmengen von IC-7300-Geräten verließ. Yaesu hätte dieses Funkgerät noch weitere 12 Monate im Entwicklungslabor behalten und ein wirklich legendäres Funkgerät entwickeln sollen, das alles andere auf dem Markt in den Schatten stellen würde. Wir haben jedoch ein Produkt erhalten, das ständige Aufmerksamkeit erfordert, was für einige Benutzer sehr frustrierend ist. Das FTDX10 ist das Funkgerät, in das ich mich so verzweifelt verlieben wollte, aber es hat sich einfach nicht ergeben."

In der Zwischenzeit hat Yaesu offenbar seine Entwicklung "korrigiert", aber leider nicht so, wie Mike es sich vorgestellt hat: Anstatt den FTDX-10 zu überarbeiten, hat Yaesu einen neuen Transceiver auf den Markt geworfen - den FT-710AESS. Ein Vorgehen, das ich schon früher bei Yaesu beobachtet habe.

Mike hat auch versucht, Yaesu zu kontaktieren um seine Verbesserungsvorschläge einzubringen. Doch er ist damit auf kein Gehör gestossen. Zudem hat er einige Erfahrungen gemacht, die ihn an der Zuverlässigkeit des Transceivers zweifeln lassen. So hat sich dasTeil zweimal inmitten eines QSO auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt. 

Auch bei FT-8 scheint das Gerät bei vielen Usern Probleme mit Intermodulation beim Senden zu haben. Wenn bei anderen FT-8 Benutzern plötzlich Lattenzäune von Intermodulationsprodukten erscheinen, wird das kaum die Beliebtheit des Senders erhöhen.

Zu weiteren Problemen, die von der Facebook FTDX10-Gruppe, dem QRZ.com-Forum und den GroupsIO FTDX10-Mailing-Reflektoren von Mike gesammelt wurden, gehören auch:

- Der Lautstärkeregler - viele Benutzer beschweren sich, dass sie den Ton noch hören können, wenn der NF-Regler ganz heruntergedreht ist.

- Defekte Bildschirme - Touchscreens mit mangelnder Reaktionsfähigkeit und falscher Ausrichtung bis hin zu völliger Bildverzerrung. Mikes Bildschirm fiel Anfang Dezember 2021 aus und wurde ersetzt.

"Ob Yaesu mit der Qualitätskontrolle Probleme hat?" Fragt man sich beim Durchlesen dieser Mängelliste.

Aber es gibt auch viele Punkte in Mikes Mängelliste, die Ansichtssache sind und Dinge, an die man sich rasch gewöhnen kann. Vor allem dann, wenn man keine Vergleichsmöglichkeiten hat. So bemängelt er u.a. dass sich der AF/RF-Regler auf der falschen Seite befindet. Damit bin ich nicht einverstanden. Hauptsache, der Regler befindet sich links vom Abstimmknopf (für Rechtshänder).
Was mich jedoch sehr stören würde, ist der Umstand, dass Auswahlfelder vom Bildschirm verschwinden, bevor man eine Wahl getroffen hat. Also zum Beispiel wenn man Auswahlfelder für 
Band, Mode, S-Meter, Oszilloskop, ATT, IPO, Filter, AGC oder die manuelle Frequenzeingabe öffnet.
Aber das sind Dinge, die lassen sich sicher per Software korrigieren. 

Das Problem heutiger Transceiver ist und bleibt der ganze Menü-Zirkus. Darum schätze ich meinen IC-7700: für alle wichtigen Dinge hat es einen Regler oder eine Taste. Man hat sofort Zugriff auf die essentiellen Funktionen. Das ist natürlich bei den kleinen Transceivern wie dem IC-7300 und dem FTDX-10 nicht möglich. Dazu fehlt einfach der Platz auf der Frontplatte. Aber auch bei den grossen Transceivern, wie zum Beispiel dem IC-7610 ist es heutzutage schlimmer geworden. Mit dem generellen Einzug von Zweitempfängern ist nun alles doppelt vorhanden. Für einige Funktionen recht es deshalb nicht mehr. Viele Regler wurden zu Zweitfunktionen degradiert. Beim IC-7610 zum Beispiel Regler für die Leistung, das Notch-Filter, die Noise Reduction oder den Noise Blanker. Dafür hat man nun für beide Empfänger separate AF, RF und Squelch-Regler. Das ist der Preis für der Zweitempfänger, ob man diesen nun braucht oder nicht. Auch das Flaggschiff von Yaesu, der FTDX-101MP leidet unter den Zweitreglern. Auch bei ihm wurden die Bedienungselemente für m.E. wichtige Funktionen in die zweite Reihe verbannt.



3 Kommentare:

  1. Hallo Anton,
    ich betreibe seit mehr als einem Jahr den FTDX-101D und bin sehr zufrieden damit. Dass hier Knöpfe oder Regler fehlen, kann ich für mich nicht sagen. Aber zum FTDX-10:
    Vom Ansatz her ein tolles Gerät. Aber es scheint wirklich der aktuelle Weg zu sein, die Geräte durch die User fertig entwickeln zu lassen. Würde nichts dagegen sprechen, wenn dann wenigstens der Hersteller schnell reagieren würde!
    Ja, auch ich habe einige Punkte am 101er, die man verbessern könnte. Und einige sind wirklich einfache Softwarepunkte, die ganz bestimmt umsetzbar sind. Aber auch hier wartet man schon recht lange auf Updates. Ich gebe die Hoffnung mal noch nicht auf...
    Gruß Stefan, DL8SFZ

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  2. Ich hab mir den Bericht von Mike mal durchgelesen. Würde der IC 7300 auch nur ein mal in der Benutzung rebooten, das Gerät wäre schneller als der Schall auf Ebay. Ich bin ein Xennial. Aufgewachsen in beiden Welten und ein absoluter Jünger der Usability. Man fragt sich wirklich, ob bei Jesus die Entwickler ihren eigenen Kram überhaupt benutzen.

    Egal. Anton, du schreibst in deinen damaligen Abhandlungen vom Crest Factor und das er schwer zu messen sei. Wie hast du ihn denn gemessen?

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  3. Gemessen ist übertrieben. Ich würde eher sagen "geschätzt" und verglichen (zwischen verschiedenen Geräten). Das habe ich mit einem SWR-Meter gemacht, das PEP und Average anzeigen kann. Ich glaube, das war damals ein DAIWA CN-901. Dann mit einem Standardspruch ins Mikrofon und mit dem Schätzauge aufs Instrument geguckt. PEP muss in jedem Fall der CW-Leistung des Senders entsprechen, sonst stimmt etwas nicht; mit dem Messinstrument oder dem Sender und seiner Einstellung.
    73 de Anton

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