Mittwoch, 28. November 2018

Weihnachtsgeschenke



"Was würdest du einem Funker zu Weihnachten schenken, Bienchen?", unterbrach ich unsere wöchentliche Lehrstunde mit einem Gedankenblitz. Denn mit Schrecken dachte ich daran, dass ich für meinen Freund Armin noch kein Weihnachtsgeschenk hatte.

Bienchen faltete ihre Stirn zu einer Furche, ihre linke Augenbraue hob sich bedenklich.
"Es kommt drauf an, welcher Typ Funker dein Freund ist."

"Mhm...es ist ja kein Geheimnis: er funkt aus der Anstalt."

"Es geht also um Armin?"

"Sag ich doch. Und du weißt selbst, was er für ein Typ ist."

"Als Mensch ja: er ist ein schizophrener Spinner. Als Funker habe ich keine Ahnung. Auf welchen Bändern funkt er? telegrafiert er, oder quasselt er ins Mikrofon? Jagt er Expeditionen, Füchse oder Diplome? Bastelt er oder kauft er sich alles ab Stange? Macht er eventuell gar SOTA?

"Was ist denn das? Eine Art Yoga?

"Das sind Funker, die zum Spass auf Berge kraxeln, die bestimmte Bedingungen erfüllen."

"Ach so. Und welche Füchse jagen Funker?"

"Kleine Sender, die man zum Spass im Wald versteckt. Und bevor du weiter fragst: Expeditionen sind Funker auf einer seltenen Insel oder in einem exotischen Land."

"Wieso werden die denn gejagt?"

"Zum Spaß natürlich. Aber weder im Wald noch auf dem Berg, sondern von der warmen Bude aus."

"Mhm. Die haben ziemlich viel Spass, diese Funker. Doch Armin sitzt in der Anstalt, die ist nicht sehr spassig."

"Betrachten wir das Problem mal analytisch", meine Bienchen, die ob des Unterbruchs unseres Unterrichts nicht gerade erbaut war. Wir steckten nämlich mitten in den blinden Widerständen fest.
"Die wesentlichen Utensilien eines Funkers sind Funkgerät und Antenne. Wir können also davon ausgehen, dass beides vorhanden ist. Wenn nicht, reitet er ein totes Steckenpferd. In diesem Fall sollte er absteigen und das Pferd wechseln."

"Mit den heutigen Möglichkeiten der Informations-Technologie könnte er das Steckenpferd aber auch simulieren. Er wäre dann gewissermaßen ein Funk-Simulant."

"Das gibt es schon. Es heisst HamSphere. Aber kommen wir auf den Punkt: Da Gerät und Antenne in der Regel vorhanden sind, sollte man davon Abstand nehmen, eines dieser Teile zu kaufen."

"Logisch. Schon mein Portemonnaie hat davon Abstand. Obschon so ein Beam auf dem Dach der Anstalt schön aussehen würde. Aber was kann man denn überhaupt schenken?"

"Vielleicht ein Buch. Aber du müsstest erstmal abklären, ob der Funker überhaupt liest. Die meisten lesen ja nicht einmal die Bedienungsanleitung. Und viele gute Fachbücher sind auf Englisch. Das kann auch nicht jeder.

"Schwierig, schwierig. Aber wie wäre es mit einer Morsetaste?"

"Auch da sind tiefschürfende Abklärungen notwendig. Viele Funker können nicht mehr morsen. Und die, die es können sind ziemlich heikel. Benutzen sie eine Handtaste, einen Bug, ein Doppelpaddle oder ein Singlepaddle? Und eingefleischte Telegrafisten haben in der Regel schon eine ganze Tastensammlungen. Also Finger weg!"

"Ein Stehwellen-Messgerät?"

"Hat auch schon jeder. Meistens im Funkgerät bereits eingebaut. Das ist wie bei den Autos: bei den meisten ist das Radio auch schon drin."

"Das war bei meinem Opel Rekord nicht der Fall. Dafür hat er jetzt einen schönen Blaupunkt mit dem 49m Band. Aber sag mal, Bienchen. Was würdest denn du schenken in meiner Lage?"

"Einen Bremsenkessel?"

"Bahnhof?"

"Das ist ein Dummy Load, eine Kunstlast. Die entlastet den Aether."

"Das macht doch keinen Spass."

"Genau, darum besitzen die wenigsten Funker eine Dummy Load."

"Du bist heute nicht gerade hilfreich. Was würde einem Funker wirklich helfen?"

"Etwas mit dem er seine Antenne verbessern oder untersuchen kann..."

"...das hat er ja schon - seine Stehwellenanzeige."

"Die sagt ihm nichts über die tatsächlichen Verhältnisse. Er sollte Blindwiderstand und Wirkwiderstand kennen und sollte erfahren ob die Antenne kapazitiv oder induktiv ist."

"Ach so, und wie heisst so ein Teil?"

"Das ist ein Antennen-Analyzer. Aber Vorsicht, da gibt es viel unbrauchbaren Schrott. Das Gerät sollte die interessierenden Bänder abdecken. Viele gehen zum Beispiel nicht im Mittelwellenband, viele funktionieren nur auf Kurzwelle und können mit einer 2m-Band Yagi nichts anfangen, und einige billige zeigen nicht einmal das Vorzeichen des Blindwiderstandes, geschweige denn die komplexe Impedanz. Wobei wir wieder beim heutigen Thema wären und den Unterricht fortsetzen könnten."

"Warte mal. Gibt es nicht diese kleinen blauen Truckli? Ich glaube sie heissen Netzwerk-Analyzer. Können die nicht dasselbe, beziehungsweise noch wesentlich mehr?"

"Sicher. Es kommt halt immer darauf an, was man will. Einige ziehen es vor, alles in einem kleinen, einfachen Handgerät zu haben, andere gehen gerne mit dem Computer im Garten spazieren und bevorzugen komplexe Lösungen. Meistens handelt es sich dabei um Ingenieure."

"Armin hat keinen Garten. Sein Antennenbaum steht im Territorium des Hauswarts: Putin mit seinem Rasenmäher und dem Hund Trumpi."

"Vielleicht wäre es in diesem Fall besser, sich auf die weniger gefährliche - auf die theoretische Seite - zu beschränken. Schenk ihm doch einfach ein Programm zur computergestützten Antennenanalyse. Da kann er die bestmögliche Installation gefahrlos erproben, bevor er sich nachts in den Park schleicht, um den Draht in Putins Baum zu hängen. Ich nehme an, Trumpi schläft dann oder guckt TV. und Putin spukt im Serverraum rum."



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