Samstag, 13. Oktober 2018

Antennen aus der Anstalt


Gestern passierten drei Dinge, die in meinem Lebensweg neue Wahrscheinlichkeiten erzeugten. Ich bekam meinen Fahrausweis endlich wieder, der Opel verlor seinen Auspuff und Armin erklärte mir, wie eine Antenne funktioniert.

Glücklicherweise suchte die Polizei nicht mehr nach Charlie, als ich oben bei der Anstalt ankam, sonst hätte der fehlende Auspufftopf bestimmt Probleme gemacht. Mein Opel ist schon alt und gebrechlich. Als der Wagen an seinen Erstbesitzer verkauft wurde, musste dieser einen rechten Außenspiegel und ein Autoradio extra bestellen, so alt ist das Teil. Außerdem hat er inzwischen mindestens schon die dritte neue Wasserpumpe.

Den abgefallenen Auspuff habe ich natürlich in einem Strauch am Straßenrand versteckt und nicht etwa in den Kofferraum getan. So kann ich bei einer Kontrolle immer noch auf ahnungslos machen.

Armin behauptete zwar immer noch, die Alte von nebenan habe seine Antenne entzwei geschossen, aber ich ging nicht darauf ein. Mir wurde wieder einmal bewusst, wieso Armin eigentlich hier war: er bildete sich Dinge ein, die nicht wirklich existierten. Etwas was mir nie passieren könnte.

"Armin, wenn ich nach Antennen google, weiss ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Das ist alles so technisch verwirrend. Und wenn ich den CB-Funkern mit dem Präsident Jackson zuhöre, weiß ich nicht, was ich glauben soll. Es geht immer um irgendwelche Bruchteile von der Wellenlänge. Von ganzen Antennen habe ich noch nichts gehört. Der eine sagt fünf Achtel sei das Optimum, ein anderer meint, ein Viertel müsse eine Antenne sein, ein weiterer schwört auf drei Achtel. Wer hat recht? Wie muss eine Antenne sein und wie funktioniert sie eigentlich?

"Das ist eine Frage, die nicht so einfach zu beantworten ist. Die Antenne ist eines der komplizierten Wesen nebst dem Menschen. Darum gibt es unzählige Ansichten, mehr oder weniger gescheite Artikel und Bücher und sogar Menschen, die ihr Geld damit verdienen, den ganzen Tag hinter einem Computer zu sitzen und Antennen zu berechnen."

"Das scheint ja hoffnungslos zu sein, für einen Laien wie mich."

"Die Hoffnung stirbt zuletzt. Du wirst sehen, du überlebst es."

"Du weisst, im Rechnen war ich schwach."

"Es gibt keine schwachen Schüler, nur schwache Lehrer. Aber kommen wir zur Antenne: Was du wissen musst, das wusste schon der Guglielmo Marconi, von dem du immer träumst: Eine Antenne ist immer ein Dipol. Also ein Ding mit zwei Polen. Genauso wie eine Batterie, wie ein Magnet und überhaupt wie jedes wichtige Ding in unserer Welt. Sogar die Politik hat zwei..."

"...Rot und grün?"

"Nein, du Drössel, links und rechts natürlich. Oft treffen sich die beiden an ihren extremen Enden und das entspricht in der Antennentechnik dann einer Schleifenantenne und bei der Batterie einem Kurzschluss. Aber wir wollen jetzt nicht vom Thema abkommen. Der Dipol ist also die Grundform der Antenne. Jeder der beiden Pole ist im Idealfall ein Viertel der Wellenlänge lang. Die Enden sind heiss, deshalb musst du dort einen Isolator verwenden, wie in deinem Traum."

"Mit heiß meinst du wohl Hochspannung, nicht wahr?"

"Genau so ist es. Es ist wie bei den Frauen, die haben auch zwei Pole und wenn du die unvermittelt anfasst, bekommst du eine geschmiert.
Jeder Draht einer solchen Dipolantenne sollte übrigens möglichst in entgegengesetzte Richtung laufen. Der eine nach links, der andere nach rechts. Man kann einen Dipol zwar etwas abwinkeln, aber wenn man das zu weit treibt, wird er schlecht."

"Aha. Und wieso verwendest du hier nur einen einzigen Draht vom Fenster zum Birnbaum und keinen Dipol."

"Das wäre einfach zu auffällig und die Alte von nebenan würde noch öfter auf meine Antenne schiessen. Trotzdem hat meine Antenne zwei Pole wie jede Antenne. Es ist nur nicht so offensichtlich. Hinter dem Büchergestell habe ich nämlich einen Draht als Gegengewicht angehängt."

"Gegengewicht? Wenn man also keinen Dipol hat, braucht man ein Gegengewicht?"

"Gegengewicht ist nur ein anderer Name für den zweiten Pol. Genauso wie das Wort Radiale oder Radials auf Englisch. Man könnte auch Gegenpol sagen."

"Und wenn mein Dipol nicht zwei Viertelwellen, also insgesamt einer halben Wellenlänge entspricht, was passiert dann? Wieso sprechen andere von drei Achteln oder fünf Achteln."

"Im Prinzip kannst du jede beliebige Länge verwenden. Beim Dipol mit je einem Viertel kannst du in der Regel das Kabel ohne weiteres anschliessen. Wenn aber die Längen der Pole nicht stimmen, brauchst du eine Anpassung."

"Anpassung?"

"Das ist eine Schaltung mit Spulen und Kondensatoren."

"Das ist mir zu kompliziert. Du meinst also, ich sollte einen Dipol bauen, damit es zwischen uns funkt?"

"Das allein ist noch keine Garantie. Immerhin liegen zwei Hügel zwischen uns und ziemlich viel Wald. Aber versuch mal, den Dipol so hoch wie möglich aufzuhängen und im rechten Winkel zur Anstalt hier oben."

Auf der Rückfahrt musste ich die ganze Zeit an diesen rechten Winkel denken. Ob Armin das wirklich ernst gemeint hat? Und ob es auch linke Winkel gab? Aber dazu hätte ich in der Schule besser aufpassen müssen.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen