Samstag, 20. Oktober 2018

Putin und sein Roboter



Bei einem meiner letzten Besuche in der Anstalt lernte ich einen Mann kennen, den ich nicht zuordnen konnte: war er Patient oder gehörte er zum Personal?
Ich begegnete ihm im Treppenhaus und er fiel mir sofort durch seinen undefinierbaren Gesichtsausdruck und seine blaue Berufsschürze auf. Das Personal trägt nämlich ausnahmslos weiße Kittel und wird deshalb von einigen Patienten auch Weisskittel genannt. Andere nennen sie Pfleger oder Wärter, einige auch Arschlöcher.
Die Doktoren unter den Weisskitteln tragen ausnahmslos Abhörgeräte um den Hals, in ihren Kreisen Stethoskope genannt. Es ist eine Art Rangabzeichen. Patienten abzuhorchen ist nur den Doktoren gestattet.
Bei uns im Betrieb, wo ich als Aushilfe tätig war, gab es ein ähnliches Kastensystem. Ingenieure trugen weiße Schürzen und trugen Rechenschieber gut sichtbar als Rangabzeichen. Taschenrechner gab es damals noch nicht. Elektroniker trugen blaue Schürzen und hatten Krokodilklemmen an die Brusttasche geklemmt. So konnte man sie nicht mit den Mechanikern verwechseln, die einer untergeordneten Kaste angehörten. Diese hatten dafür meistens eine Schieblehre in der Hand. Eine Sonderstellung hatten die Betriebselektriker, sie trugen Phasenprüfer in der Brusttasche.
So war alle sauber geregelt und jeder wusste, wo er hingehörte.

Als ich mich bei Armin nach dem Mann im blauen Kittel erkundigte, wusste er sofort, um wen es sich handelte:

"Das ist Putin", sagte er zu meiner Verblüffung.

"Gehört er zum Geheimdienst der Anstalt?"

"Nein, der wird von der Sekretärin des Direktors geleitet. Die meisten nennen sie Miss Moneypenny, aber richtig heisst sie Hannelore Abderhalden. Der Mann in der blauen Berufsschürze ist der Abwart."

"Aha, also der Mann, der das Gebäude in Schuss hält. Diesen Eindruck hat er aber nicht gemacht. Er roch streng nach Alkohol."

"Ja, er fährt prinzipiell nur besoffen."

"Ist ihm die Polizei noch nie auf die Schliche gekommen?"

"Das ist denen wurscht, Putin fährt nur Rasenmäher-Traktor auf dem Gelände der Anstalt. Dazu singt er immer Highway to Hell."

"Darum hat es so komische Spuren. Was macht er denn, wenn er nicht Rasenmäher fährt?"

"Er fährt fast immer, gleich ob das Gras gewachsen ist oder nicht, und wenn er nicht fährt, dann lässt er fahren. In der Nacht surrt sein Rasenmäher-Roboter durch die Gegend. Das nervt."

"Macht der soviel Lärm?"

"Nein, er stört den Funk. Der blubbert über den ganzen Kurzwellenbereich."

"Kannst du da nichts machen. Du bist doch der Spezialist für solche Sachen."

"Putin hat rund um die Anstalt einen Draht gespannt. Das ist die Grenze für den Roboter. Leider wirkt diese Riesenschleife als Antenne."

"Was sendet die denn? Hat die einen bestimmten Kanal?"

"Eben nicht. Es ist ein russisches Model und sendet auf Langwelle ein Rechtecksignal. Das produziert jede Menge Oberwellen. Aber wir arbeiten an diesem Problem."

"Wir? Putin und du?"

"Nein, die Alte von nebenan. Wir haben uns zusammengetan. Sie schießt ab und zu auf den Roboter. Das nützt zwar nichts, gibt mir aber ein gutes Gefühl. Zudem schießt sie während dieser Zeit nicht auf meine Antenne."

"Und was ist dein Beitrag zu dieser Zusammenarbeit?"

"Wenn ich funken will und gestört werde, schleiche ich mich nachts raus und schneide den Draht entzwei. Der Roboter ist deswegen bereits dreimal ausgebüxt. Einmal in den Ententeich, einmal auf die Straße, wo er überfahren wurde und einmal in den Wald, wo sie ihn mitten in den Hallimasch gefunden haben."

"Schade für die Hallimasch. Und der Roboter hat all das überlebt?"

"Putin hat ihn immer wieder zusammengeflickt. Das ist russische Technik und funktioniert - glaub ich - noch mit Röhren. Ist so gut wie unzerstörbar und würde jeden Roboterkrieg gewinnen. Dem ist nicht einmal mit einer Knochensäge beizukommen."

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen