Montag, 15. Oktober 2018

Eine kuriose Sprache



Gestern war ich bei Bienchen. Sie wohnt alleine in einem großen, alten Haus auf der anderen Seite des Walds in dem ich spazieren gehe. Wie alt Bienchen wirklich ist, weiß ich nicht. Aber ich schätze sie so auf 55. Was ich aber weiß: sie hat eine Garage mit einer Grube. Dort kann man unter das Auto steigen.

Bienchen war nicht allein. Sämu war bei ihr. Sein Hund kaute an einer kaputten Drohne.

"Ich wollte dich nur fragen, ob du mir den Auspuff beim Opel anschweißen kannst", kam ich ohne Einleitung zur Sache.

"Hast du ihn dabei?"

"Nein, der Auspuff liegt noch im Gebüsch, wo ich ihn zwischengelagert habe."

"Macht nix. Wir finden schon was Passendes. Wie geht's Präsident Jackson?"

"Ich habe mit Armin noch keine Verbindung hingekriegt. Er meint, es liege an der Antenne oder an der Distanz."

"Es liegt an den Ausbreitungsbedingungen", mischte sich Sämu ein. "Ihr müsst einen Skip erwischen."

"Quatsch", entgegnete Bienchen, "Für elf Meter liegt die Anstalt in der toten Zone. Du brauchst einen Brenner."

"Oder eine bessere Spargel", sagte Sämu. Sein Hund hatte gerade die Drohnenbatterie zwischen den Zähnen.

"Eure Sprache ist mir ein Rätsel."

"Das ist CB Slang", sagte Sämu. "So spricht man im Elfmeterband."

"Armin habe ich noch nie so sprechen hören."

"Kein Wunder", warf Bienchen ein. "Der wohnt ja in der Anstalt. Außerdem hat er eine Amateurfunklizenz."

Ich war baff. Das hatte ich nicht gewusst. "Armin ist ein richtiger Funkamateur?"

"Ja, einer von der alten Sorte", erklärte Bienchen. "Er morst noch."

"Die Funkamateure haben auch ihre eigene Sprache", mischte sich Sämu ein. Die Drohnenbatterie machte ein komisches Geräusch und fiel dem Hund aus dem Maul. Der sog den Schwanz ein und trollte sich.
"Ab und an höre ich ihnen im 2m Band zu. Da ist zum Beispiel einer, der sagt nach jedem Satz "H.I."

Ich hörte Sämus Stimme plötzlich nur noch wie aus weiter Ferne. In meinen Gedanken war ich wieder in der Funkstation auf der Titanic, und die Uhr stand beinahe auf zwanzig vor Zwölf; ich hatte das Gefühl hoher Dringlichkeit. Doch bevor ich vollständig in meinen Tagtraum wegdriftete, holte mich Bienchens Stimme wieder zurück in die Realität:

"Obwohl du Armins Freund bist, scheinst du wenig über ihn zu wissen."

Die Titanic verschwand wieder und ich stand immer noch vor Bienchens Garage.

"Ich kann auch morsen", sagte ich.

"Wo hast du denn das gelernt?", fragte sie.

"Sicher nicht in der Schule", grinste Sämu.

Ich warf ihm einen bösen Blick zu und wollte gerade antworten, da kam ein Mann um die Ecke, im schicken Anzug, die Haare geliert.
"Wo ist die Drohne meines Sohnes? Er sagte mir, sie sei über Ihrem Garten abgestürzt."

Bienchen deutete auf die zerkauten Überreste der Drohne und die rauchende Batterie.
Der Mann war entsetzt.
"Was haben sie mit der Drohne gemacht? Wissen Sie, wie viel das Teil gekostet hat?"

Bienchen zuckte die Schultern:
"Sie hat wohl einen elektromagnetischen Schock gekriegt. Ihr Sohn sollte sie beim nächsten Mal in Alufolie einpacken."

Ich verdrückte mich auf Französisch. Es war kein guter Tag zum Auspuff schweißen.










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