Montag, 22. Oktober 2018

Der Dunning Kruger Effekt



Nachdem ich Sämu getroffen hatte, sprach ich noch am gleichen Tag mit Bienchen und fragte sie, ob sie mir nicht helfen würde, mich auf die Funkamateur-Prüfung vorzubereiten.

"Wieso gerade ich? Wieso fragst du nicht deinen Freund Armin?"

"Der sieht manchmal Dinge, die es nicht gibt, und wenn er mir dann Dinge beibringt, die nur in seiner Fantasie existieren, hilft mir das nicht - im Gegenteil! Zudem hat Sämu gesagt, du seist Deutsche und die hätten alle das Oberlehrer-Gen."
Gut, das war etwas übertrieben, Sämu hatte andere Worte gewählt.
"Ausserdem hättest du ihn ausgebildet, und er hat sogar bestanden."

"Das war nicht gerade einfach. Er hatte zu Beginn einen ziemlich starken Dunning-Kruger."

"Eine Krankheit? Ist das ansteckend?"

"Wahrscheinlich schon. Die Menschen mit Dunning-Kruger fühlen sich kompetenter als sie sind. Dummerweise ist es so: je weniger sie verstehen, desto mehr glauben sie zu verstehen."

"Oh, das wusste ich nicht. Aber einen Dunning-Kruger habe ich bestimmt nicht. Das ist gar nicht möglich, denn ich bin kein Spezialist."

"Aber vielleicht Generalist?", fragte sie und zeigte ein Haifischlächeln.

"Ja, ich denke schon..."

"...das sind die Schlimmsten! Sie glauben alles zu verstehen, ohne etwas wissen zu müssen. Aber sag mal: Hast du irgendwelche Vorkenntnisse? Zum beispiel in Elektrotechnik und wie gut bist du in Mathe?"

"Sämu sagt, man brauche nur auswendig zu lernen für den HB3er. Aber abgesehen davon: ich weiss was über Strom. Armin hat es mir erklärt."

"Mhm...kannst du mir denn sagen, was der Strom so macht?" Sie lächelte jetzt wie ein Haifisch vor dem Zuschnappen. "Und hast du schon mal vom ohmschen Gesetz gehört?"

"Das ist ganz einfach", begann ich. "Wenn der Strom aus dem Generator kommt, ist er ausgeruht und voller Spannung auf sein Tagwerk. Wie ein Arbeiter, der morgens frisch ausgeruht zur Fabrik geht. Dort verrichtet er dann seine Arbeit und kehrt am Abend müde nach Hause zurück. Er ist müde von der Arbeit und hat seine ganze Spannung in der Fabrik liegen lassen. Das nennt man Spannungsabfall. Der ist umso größer, je kräftiger der Stromarbeiter ist und je widerstandsvoller seine Arbeit ist. Darum rechnet sich der Spannungsabfall, den der Herr Strom in der Fabrik liegen lässt mit Stromstärke mal Widerstand..."

Bienchen sah mich verblüfft an und machte gerade den Mund auf, vermutlich um mir eine weitere Frage zu stellen. Doch ich fuhr unbeirrt weiter:

Die Arbeit, die der Herr Strom in der Fabrik leistet, rechnet sich aus seiner Kraft und aus dem Spannungsabfall, den er in der Fabrik liegen lässt. Beides miteinander multipliziert ergibt die Wattzahl..."

"...ein ungewöhnlicher Ansatz, in der Tat", meinte Bienchen.

"Warte, ich bin noch nicht fertig: Den Lohn, den Herr Strom für seine Arbeit bekommt, berechnet sich einerseits nach der Wattzahl und seiner Arbeitszeit. Die Multiplikation der Beiden ergibt Wattstunden."

"Wo hast du das her? Hat dir das Armin erzählt?"

"Nein, ich war mal Hilfsausläufer in einer Fabrik. Zudem habe ich ein Diplom gemacht", berichtete ich stolz.

"Ein Diplom, du hast ein Diplom. Na das ist aber eine Überraschung."

"Ja, ich habe die Migros-Klub-Schule besucht. Einen Abend in der Woche. Da gab es immer Kaffee und Kuchen."




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